Harald Schmidt wird 50: Das Radschlagen fällt schwerer

Keiner hat den Stil deutscher TV-Moderation so geprägt wie Harald Schmidt. Am Samstag wird er 50 – und es scheint, als käme der Entertainer nun aus der Mode.

<strong>Düsseldorf. Die Zeit, da alle auf ihn eindreschen, musste ja kommen. Niemand ist unantastbar für die deutschen Medien. Auch nicht Harald Schmidt, der sich Ende der 90er dazu aufschwang, nach Beckenbauer die zweite Lichtgestalt im schnelllebigen Promibetrieb zu werden. Ein Mann, bei dem es nicht darauf ankommt, was er sagt, sondern wie er es sagt, der aufmunternd in die Kamera lächelt und den Zuschauern vorgaukelt, die Welt sei nichts anderes als absurdes Theater - manchmal schwer zu ertragen, letzten Endes aber risiko- und folgenlos. Denn unter die Erde, fabulierte Schmidt einmal während seiner Late-Night-Show, müsse jeder von uns, der eine früher, der andere später. Die eigene Sterblichkeit ist eines der Leib- und Magenthemen des scheinbar diplomierten Hypochonders. Ob er mit dem Hinweis, dass jeder mal abtreten müsse, ihm, dem Zuschauer, jetzt den Abend verdorben habe, fragte er damals in die Kamera, die Lippen spöttisch geschürzt, den Dackelblick auf Halbmast. Kurz war Stille, dann ging es weiter mit Rinderwahn-Schleife, James-Last-Double und den dicken Kindern von Landau, mit dieser intimen kleinen Familienshow im Kuschelsender Sat.1, deren Konzept zumindest auf dem Papier Schmidts "Kreativpause" in die ARD überlebt hat.

Die Nachricht, dass er aufhört, platzte wie eine Bombe

Allerdings nur als entschlacktes Satire-Etwas, als Light-Variante des Scheibenwischers, mit dem sich Schmidt nun auch noch um den Sendeplatz streiten musste. Zahnlos sei er geworden, krittelten die ersten Kulturpessimisten, ein übersättigter Pfau, dem das Radschlagen langsam immer schwerer falle. Die Zielgruppe suchte sich neue Helden, die Feuilletons verstießen ihn wie einen in Ungnade gefallenen Verwandten, den man öffentlichkeitswirksam verachtet, sich aber wegen seines vermuteten Reichtums besser noch ein bisschen warm hält und zu den Festtagen hofiert. Ein solcher Festtag steht am Samstag ins Haus. Und einen runderen als diesen 50. Geburtstag wird Schmidt, egal wie oft er monatlich zur Darmspiegelung rennt, nicht mehr erleben.

Muss er auch nicht, denn als jemand, der in einer einzigen Schlagzeile der "FAZ" bereits als Gott bezeichnet und gleichzeitig für tot erklärt wurde, hat er alles erreicht, wovon ein gläubiger Katholik wie er während seines irdischen Daseins ohnehin nicht zu träumen gewagt hätte.

Was er auch durfte! Denn, mal ganz ehrlich: Was wäre das deutsche Fernsehen ohne Harald Schmidt? Wahrscheinlich immer noch das, was es vor seinem Auftauchen zu Beginn der 90er gewesen war, ein verstaubter Mallorca-Stammtisch, an dem Humor ist, wenn nur die anderen lachen. Schmidt gab dem Medienbetrieb flächendeckend genau jene Fähigkeit zur Selbstironie, die zuvor nur sporadisch in überhörten Nebensätzen von Jürgen von der Lippe aufgeblitzt war.

Ansonsten war das Fernsehen eine ernste Angelegenheit, ein minutiös durchorganisiertes Hochamt, in dem Stegreif nur dann geduldet war, wenn von außen eingegriffen wurde, wenn Umweltaktivisten die "Wetten, dass ?"-Bühne stürmten oder "Titanic"-Redakteure an Buntstiften leckten. Dann durfte um Worte gerungen werden, bevor es zurück zum Protokoll ging.

Schmidt unterlief diese moralinsauren Strukturen, indem er den Anspruch des geübten Politkabarettisten und die Albernheit des geläuterten Klassenclowns so lange miteinander verquickte, bis der Unterschied nicht mehr erkennbar war. Das erlaubte es ihm als einzigem, in Familienshows wie "Pssst" oder "Maz ab" frauen- und polenfeindliche Witze zu machen, ja sogar das Dritte Reich als Gagpool zu erschließen, ohne damit nennenswert anzuecken.

Und so kam es, dass der eherne Nimbus der Political Correctness, den Heck oder Carrell mit einem feuchten Blick ins Publikum heraufbeschworen, wenn sie mal wieder eine deutsch-deutsche Großfamilie nach Jahrzehnten der unfreiwilligen Trennung zusammengeführt hatten, endlich aus der Mode kam.

Nun läuft Schmidt selbst Gefahr, aus der Mode zu kommen. Und niemanden scheint das weniger zu stören als ihn selbst. Im Gegenteil. Es wirkt, als nehme er an der Demontage seines Images als allwissender Edel-Entertainer tatkräftig teil, holt sich ausgerechnet den moderierenden Schlagbohrer Pocher mit ins Boot und adelt Formate, die er bislang eigentlich durch seine Arbeit in Frage stellte, sei es das "Traumschiff" oder "Unser Charlie". Seine Engagements würde er ohnehin nur noch nach dem Drehort wählen, sagte er im Juni in einem Interview mit dem "Spiegel".

. . . Intellekt "Sie kennen ja vielleicht das Zitat von Oscar Wilde, ,Witz ist der Intellekt auf Reisen’. Eine Reise ans Ende des Verstandes, für viele von uns nur ein Kurzausflug - Hauptsache, man ist abends wieder daheim."

. . . gefallene Engel "Britney Spears hat mit einem Schirm auf das Auto ihres Ex eingedroschen. Und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, es ist bedrückend: Sie ist aufgedunsen, sie ist voll mit Medikamenten, sie ist ziemlich verwirrt . . . Ich würde mich nicht wundern, wenn sie morgen ihren Rücktritt vom Radsport bekannt gibt."

. . . liebenswürdige Marotten "Japaner sind die beliebtesten Urlauber, Deutsche hingegen gelten als geizig. Viele Deutsche sind sogar so geizig, dass sie die eigene Frau mit nach Bangkok nehmen."

Jugend Am 18. August 1957 wird Harald Schmidt in Neu-Ulm geboren. Seine Kindheit und Jugend verbringt er in Nürtingen (Landkreis Esslingen, 40 000 Einwohner, 19 Kilometer südlich von Stuttgart gelegen), wo er Organist der katholischen Gemeinde St. Johannes wird und bei den Pfadfindern mitmischt. In der Oberstufe dreht er eine Ehrenrunde, sein Abischnitt liegt bei 3,2.

Ausbildung Von 1978 bis 1981 studiert Schmidt an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart Schauspiel. Es folgen drei Jahre Theaterarbeit bei den Städtischen Bühnen in Augsburg.

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