„Gut machen — nicht gut meinen!“

Nach einem Unfall sitzt der ehemalige Leistungssportler Boris Grundl im Rollstuhl. Heute trainiert er Führungskräfte.

Düsseldorf. Manche Dinge muss man aushalten, findet Boris Grundl. Aushalten bedeutet aktiv verarbeiten. Aushalten ist ein Stück seines Lebenswegs — und so ziemlich das Gegenteil von Lethargie. Grundl muss aushalten, den Großteil seines Körpers nicht bewegen zu können. Der ehemalige Leistungssportler, Tenniscrack und Trainer sitzt seit 20 Jahren im Rollstuhl.

„Nach Niederlagen muss man sich selbst neu erfinden“, sagt Grundl. Wobei sein Unfall damals in Mexiko keine Niederlage im klassischen Sinn war. Gemeinsam mit einem Freund wollte er es den einheimischen Klippenspringern gleichtun und sprang auch. Einmal, zweimal, dreimal . . . „Als man mich aus dem Wasser zog, wusste ich sofort, dass ich gelähmt bin“, erinnert sich Grundl.

Genauso gut erinnert er sich an die Zeit, als er versuchte, sich nach Monaten der Verzweiflung, der Wut und Zukunftsangst wieder hochzurappeln. „Was, Sie wollen Sport studieren?“, fragte eine Mitarbeiterin des Arbeitsamts den Sozialhilfeempfänger im Rollstuhl mit einer Mischung aus Spott und Mitleid. „Schauen Sie sich doch mal an!“ Grundl wollte sich neu erfinden — und niemand sollte ihn behindern. Schon gar keiner von den Gutmenschen.

Diesen Kampfbegriff der 70er Jahre benutzt Grundl gern. Obwohl oder gerade weil er damit aneckt. „Diktatur der Gutmenschen“ heißt auch sein neuestes Buch. „Man erkennt sie daran, dass sie laut schreien, wenn es um andere geht, und verstummen, wenn es um sie selbst geht“, sagt Grundl. Diejenigen, die immer nur Lösungen fordern — von Politikern, Chefs, Kollegen, den Kindern oder der Ehefrau — aber nie einen Lösungsvorschlag machen. Die immer nur gut meinen, aber nie gut machen. Wie die Frau damals im Arbeitsamt, die mitleidig auf den Sozialhilfeempfänger im Rollstuhl herabblickte.

Heute macht das niemand mehr. Im Gegenteil. Meist sind die Hallen brechend voll, wen Grundl vor Führungskräften spricht. Dann sitzt er hemdsärmelig im Rollstuhl vor hochbezahlten Männern und Frauen im Anzug — und ballt die Faust, wenn er seinen Worten Nachdruck verleihen will.

„Nicht können ist in Ordnung. Aber wenn jemand nicht will, werde ich fuchsteufelswild“, sagt Grundl. Und fast jeder könne etwas leisten in seinem Leben, weil fast jeder die Anlagen dazu besitze. „Wir müssen nur etwas aus ihnen machen.“ Manchmal gehe es aber nicht ohne fremde Hilfe. Sich an andere mit der Bitte um Hilfe zu wenden, ist für Grundl eher ein Zeichen der Stärke, nicht der Schwäche.

Der „Menschenentwickler“ hat ihn die „Süddeutsche Zeitung“ einmal genannt. Grundl gefällt diese Bezeichnung, das merkt man schnell. Er hilft Führungskräften, sich zu entwickeln, damit sie andere entwickeln können. In der Theorie klingt das einfach: „Sie müssen lernen, ihre Energie in Leistung und nicht in Wirkung zu pumpen.“

Wirkung, darauf legen in Grundls Weltbild die Gutmenschen Wert. „Sie wollen gut ankommen.“ Wichtig sei das freilich nicht. Man dürfe auch mal anecken und auch Gegenwind spüren. „Auch Ablehnung schafft Orientierung“, findet Grundl. Ablehnung muss man allerdings aushalten. Aber das sei der erste Schritt, weil es in Grundls Universum ja aktives Verarbeiten bedeutet.

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