Gottes Mann im Skandal-Knast

Pfarrer Christian Braune ist Seelsorger im berüchtigten Gefängnis „Santa Fu“. Bei ihm werden auch harte Jungs weich.

Hamburg. Erst hatte Seelsorger Christian Braune Angst vor seiner neuen Arbeit im Hamburger Gefängnis „Santa Fu“. „Ich hatte große Bedenken, wie ich einem Mörder die Hand geben kann. Ich wusste nicht, ob ich die Taten ertrage“, sagt der 57-Jährige.

Seit einem halben Jahr arbeitet der evangelische Pastor in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, die nach spektakulären Ausbrüchen und einer Meuterei lange gegen ihren Ruf als „Skandal-Knast“ kämpfen musste.

Inzwischen sind Braunes Zweifel verflogen. Es gelingt ihm, hinter den Tätern, die zum Teil schreckliche Verbrechen begangen haben, „Menschen mit einer dramatischen Geschichte“ zu sehen. Heute wird der Pastor in der Kirche der Männerhaftanstalt offiziell in sein Amt eingeführt.

Der Weg zu Braunes Büro, das er sich mit einem katholischen Seelsorger teilt, führt durch eine schwere, weiße Gittertür über einen tristen Flur. Wenn der Theologe in seinem Raum Strafgefangene zu einem Gespräch trifft, will er ihnen zeigen, dass sie willkommen sind.

Auf dem Tisch zündet er eine rote Kerze an, lässt im Hintergrund leise Musik laufen. Kaffee ist gekocht, eine Packung Taschentücher liegt bereit.

„Für die Gefangenen ist es wichtig, einen Raum zu haben, in dem es einmal nur um ihre Wünsche und Sorgen geht“, erklärt Braune, während er sich bequem in einem der dunklen Sessel zurücklehnt.

Am Anfang ist das Misstrauen der Häftlinge oft groß, Vertrauen muss sich langsam aufbauen. „In den Gesprächen geht es immer wieder um die eigene Einsamkeit oder die Angst, von seinen Kindern vergessen zu werden“, berichtet Braune.

Das Gesicht des zweifachen Familienvaters ist leicht gebräunt, seine tiefe Stimme hat einen beruhigenden Klang. Doch in der Tasche seines hellen Sakkos steckt ein Alarmgerät, mit dem der Seelsorger im Notfall Hilfe holen kann. Angegriffen wurde er bisher aber nicht.

Mord, Vergewaltigung, schwere Körperverletzung — schwierig wird es, wenn das Gespräch auf die brutalen Taten kommt. „Was Menschen anderen antun können, ist unvorstellbar“, sagt Braune. Bei all diesen belastenden Geschichten sei es schwer, abzuschalten. „Ich muss darauf achten, dass ich den Knast nicht permanent mitnehme“, sagt der Seelsorger.

Wenn es einem der Gefangenen sehr schlecht geht, ist der 57-Jährige manchmal auch mitten in der Nacht im Einsatz. Kürzlich wurde er gerufen, weil ein Insasse die Nachricht vom Tod seiner Mutter bekommen hatte.

Viele Gefangene sind religiös, als Geistlicher ist Braune eine Respektsperson für sie. „Die Kirche genießt ein enormes Ansehen unter den Gefangenen“, sagt Braune. Jeden Sonntag kommen rund 50 Häftlinge zum mehrsprachigen „Multi-Kulti-Gottesdienst“, schreiben dafür selbst Fürbitten oder suchen Lieder aus. Braune zieht dann keinen schwarzen Talar, sondern eine weiße Amtstracht an. „Hier ist schon alles traurig genug.“

Braune will erreichen, dass die Männer Verantwortung für ihre Verbrechen übernehmen und über Perspektiven für die Zukunft nachdenken. Er ist überzeugt: „Jeder Mensch hat eine Chance auf Veränderung verdient.“

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