Götz George: Schimpfe für Schimmi

Tatort: Aus Duisburg kommen zum 70. Geburtstag von Götz George wenig nette Töne.

Duisburg. Draußen riecht es nach brackigem Wasser und nach verbranntem Koks, drinnen nach Qualm von schwarzem Tabak. "Schimmi wird 70? Der Mann interessiert mich nicht", faucht Roswitha Tomic. Die Wirtin der Kneipe "Zur Traube die Dritte" in Duisburgs legendärem Stadtteil Ruhrort will nach der ruppigen Begrüßung aber dann doch noch etwas zu dem Herrn Kriminalhauptkommissar sagen. Schließlich haben die Leute vom Fernsehen auch mal in ihrem Lokal gedreht, vor über 15 Jahren, ein paar Häuser weiter, als die Gaststätte noch "Zur Traube die Zweite" hieß. "Der Thanner", habe sie gerufen, als der Tross den Schankraum betrat. Erst hinter den breiten Schultern seines Assistenten tauchte dann Schimanski auf. "Schimmi hat sauer geguckt, war mächtig angefressen, dass ich ihn nicht als Ersten erkannt habe."

Kaum jemand nennt Götz George hier in der Traube bei seinem Namen. Für das halbe Dutzend Gäste heißt das Geburtstagskind schlicht Schimmi. Die Wirtin hat noch mehr zu kritisieren. Auch mit dieser Art von Polizist kann Roswitha Tomic nichts anfangen. "Der war ja der deutsche Columbo, genauso gammelig, nur viel ruppiger." Deshalb hat sie auch nicht viele Folgen gesehen. "Als Alzheimerkranker gefiel er mir besser", sagt die resolute Wirtin und meint damit Georges Rolle als Verwirrter in dem Fernsehspiel "Mein Vater". Geärgert hat sie, dass die Tatort-Folgen die Stadt Duisburg und besonders den Stadtteil Ruhrort durch den Dreck gezogen hätten.

Ähnlich sieht das Mario Adams. Der Vorsitzende des Ruhrorter Bürgervereins ist nach all den Jahren noch immer nicht begeistert von dem Image, das die Krimiserie seiner Stadt verpasst hat. "Man kann zu dem Schluss kommen, dass wir in Duisburg der deutschen Sprache nicht mächtig sind, mit Keulen schwingen und den aufrechten Gang noch üben müssen." Man habe immer nur die unschönsten Orte der Hafenstadt gezeigt, nicht die Altstadt, nicht den Innenhafen. Adams, der selbst 30 Jahre bei der Wasserschutzpolizei arbeitete und dabei auch einige Male mit George drehte, findet ebenso wie die Wirtin der "Traube"die Darstellung des Kriminalbeamten problematisch: "Als Polizist war Schimanski untragbar."

Eine ganz andere Meinung über Schimanski hat einer der letzten Gäste der Wirtschaft "Zum Amtsschimmel", die zu später Stunde zwei Straßen weiter ihre Tür noch weit geöffnet hat. Axel Lehmann steht am Tresen und knobelt. "Schimmi - einfach genial", bemerkt er knapp und lässt die Würfel auf die Theke krachen. Auf seinem Unterarm ist kaum mehr Platz für weitere Tätowierungen. Warum genial? "Der Mensch passt hier rein." Mehr sagt der Gast nicht. Man möchte ihm nicht widersprechen, möchte nicht einwenden, dass Götz George Berliner ist, die Produktionsfirma der Krimis aus München kommt. Die meisten Schrottplatz-Aufnahmen wurden gar in der Bayern-Metropole gedreht, und am Ende sprachen auch immer mehr Nebendarsteller bayerischen Akzent.

Ob es denn in Ruhrort wirklich so ist wie im Film dargestellt? Die junge Frau am Zapfhahn winkt ab. "Von den 120 Kneipen, die es hier vor 20 Jahren noch gab, sind keine zehn geblieben." Nicht erst seit dem neuen Nichtraucherschutzgesetz geht es den Gastwirtschaften, die sich inzwischen alle trotzig Raucherclubs nennen, schlecht. Früher lagen die Schiffe tagelang im Hafen, bevor ihre Ladung gelöscht war. Dank moderner Technik bleiben sie inzwischen nur noch wenige Stunden. "Das reicht kaum für ein Bier", klagt die Kellnerin.

Draußen fällt ein feiner Regen. Die meisten Schaufensterscheiben der Häuser an der Fabrikstraße, der Harmoniestraße und der Amtsgerichtsstraße sind von innen mit Papierbahnen verklebt. Ein Rentner führt seinen Hund Gassi. Götz George? "Der wird für sein Lebenswerk in den nächsten Jahren sicher noch so manchen Preis erhalten. Ruhrort aber, 637 Jahre alt, ist dann nur noch Geschichte."

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