Gleitschirmfliegen: "Ich überlebte die Todeszone"

Ein Gewitter reißt eine Deutsche in 9000 Meter Höhe. Sie hält eine halbe Stunde bei minus 50 Grad aus.

Sydney/Neuss. Tennisballgroße Hagelkörner sausen an ihrem Kopf vorbei. Der Körper ist mit einer Eisschicht bedeckt. Ewa Wisnierska hängt bewusstlos an ihrem Gleitschirm - auf 9000 Meter Höhe. So hoch fliegen Passagierflugzeuge. Es ist minus 50 Grad kalt. Ihr Begleiter, ein 40-jähriger Chinese, kommt in dem Unwetter ums Leben. Ewa Wisnierska überlebt.

Die 35-Jährige aus dem rheinland-pfälzischen Nassau trainierte am Mittwoch für die Gleitschirmweltmeisterschaft im australischen Tamworth, 280 Kilometer nordwestlich von Sydney. Es regnet leicht, als Wisnierska, in der Nationalmannschaft "Birdy" (Vögelchen) genannt, von einer 350 Meter hohen Kuppe startet. Sie habe die Wetterlage völlig unterschätzt, sagt Ewa Wisnierska nach der Landung.

Plötzlich ziehen sich die Wolken zum Gewitter zusammen. Die Pilotin versucht auszuweichen. Doch die Aufwinde sind zu stark. "Man kann sich diese Gewalt nicht vorstellen", sagt Wisnierska. "Man fühlt sich machtlos, wie ein Blatt im Wind."

In Gewittern herrschen Windgeschwindigkeiten von bis zu 50 Metern pro Sekunde. Der Sturm reißt sie in zehn Minuten auf neun Kilometer Höhe. Die Todeszone beginnt bei 7000 Metern. "Die Brille vereiste, dann wurde es dunkel", erinnert sie sich. Eine halbe Stunde ist sie bewusstlos und wird hin- und hergeschleudert.

Dann sinkt sie auf 6900 Meter herab und kommt langsam wieder zu sich. "Als ich die Erde sah, fühlte ich mich wie ein Astronaut von Apollo 13", beschreibt Wisnierska. Bei der Landung ist sie steif gefroren, bis auf Frostbeulen an den Waden und Ohren aber unverletzt.

Nach Angaben von Ärzten können nur trainierte Menschen in dieser Höhe überleben. Luftdruck und Sauerstoffgehalt betragen dort nur ein Drittel von den Werten am Boden. Dass Wisnierska den Höllentrip überstand, ist "wie zehn Lottogewinne hintereinander", sagt WM-Organisator Godfrey Wenness.

"Ausgerechnet ihr passiert das", wundert sich Daniela Baumgarten vom Sky Team Neuss. "Ewa ist eine super Pilotin." Und Gleitschirmfliegen sei eigentlich nicht gefährlich, sagt Benedikt Liebermeister, Sprecher des Deutschen Hängegleiterverbandes. Statistisch gesehen passierten weniger Unfälle als beim Motorradfahren.

Wetter Gleitschirmflieger können nur bei gutem Wetter starten. In Gewitterwolken gibt es mächtige Aufwinde. Sie erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 50 Metern pro Sekunde. Bei Flugzeugen führt das zu Turbulenzen.

Deutschland Hierzulande gibt es etwa 30 000 Gleitschirmflieger. Für den Flugschein lernen die Piloten Meteorologie, Flugverhalten und Technik.

Rheinland Daniela Baumgarten und ihre Kollegen vom Sky Team Neuss fliegen bei gutem Wetter regelmäßig. Eine Seilwinde zieht die Paraglider in die Luft. "Man kann dabei richtig entspannen. Es ist schön, wie ein Vogel zu fliegen", beschreibt Baumgarten.

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