Franz Müntefering: „Ich war meistens ein Alleiner“

Franz Müntefering gilt als kühl und verschlossen. Nun spricht er auf einmal über Einsamkeit und Arroganz.

Berlin. Franz Müntefering ist ein Politiker, der sein Innenleben in einem Panzerschrank aufbewahrt. Er steht am Abend der verlorenen Wahlen in Nordrhein-Westfalen im Willy-Brandt-Haus und macht ein ganz normales Gesicht, dankt den Wahlkämpfern und kündigt dann Neuwahlen an. Das wirklich Verstörende an diesem sensationellen Augenblick ist, dass Müntefering in jeder Sekunde vollkommen unsensationell dreinschaut. Dann geht er weg.

Der blickdichte Politiker irritiert auch viele Sozialdemokraten. "Der spricht mit keinem", hörte man in seinen sehr schweigsamen Phasen oder: "Der ist arrogant." Was man nicht wusste, war, wie Müntefering unter der schweren Krankheit seiner Frau Ankepetra gelitten hat. Und man ahnte allenfalls, dass er vielleicht nicht viele Freunde hat. Aber gar keinen?

In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" gewährt der Vizekanzler jetzt außergewöhnliche Einblicke in sein Wesen. "Ich war meistens ein Alleiner." Er erzählt von seinem sehr guten Freund, der mit 32 Jahren tödlich verunglückt ist. So eine Freundschaft hat er nicht mehr gefunden. Gerhard Schröder hat vor drei Jahren in einem gemeinsamen Interview gesagt, dass er den Franz gern zum Freund hätte. Müntefering entgegnete: "Ich bin kein Kumpel."

Heute glaubt der 67-Jährige, dass ein Psychologe die knappe Abweisung vielleicht darauf zurückführen würde, dass er Einzelkind ist und seinen Vater erst mit sechseinhalb Jahren kennen lernte, als der aus dem Krieg zurückkehrte. Und er macht sich Gedanken über die Zukunft nach der Politik. "Wenn man mal nicht mehr im Betrieb ist - wen hat man eigentlich?" Sicherlich seine Frau Ankepetra, die ihm bei öffentlichen Veranstaltungen nahe komme: "Weil sie sich dazwischenwerfen will, falls irgendeiner mich angreift. Sie macht mich sicherer."

Ein gewisses Maß an Arroganz räumt Müntefering ein: "Man hält das ja sonst nicht aus." Ein wenig Arroganz und viel Undurchdringlichkeit erzeugen diese Ausstrahlung, die viele als unnahbar oder kalt empfinden. Müntefering ist das bewusst: "Ich habe darüber auch mal mit jemandem gesprochen, der etwas davon versteht, einem Professor oder so." Den habe er gefragt, ob er sich ändern müsse. Der Professor hat ihm abgeraten, er solle original bleiben. "Der hatte recht", findet Müntefering.

Trotzdem gibt er dieses Interview, das nur in den kurzen Sätzen zu ihm passt, aber nicht in den persönlichen Äußerungen über Jugend, Eltern, sein Leben. Der Politiker Müntefering wird sich gründlich überlegt haben, dass der Mensch Müntefering in Erscheinung treten soll.

Seine Partei steht in Umfragen miserabel da. Eine reine Werbestrategie kann man ihm wohl nicht unterstellen. Er hat eine Botschaft an seine Partei, und kann sich eben schlecht ins Fernsehen setzen und sagen: "Ich bin der Franz, ich bin ganz nett und will was erklären."

Also erklärt er sich und seine Botschaft an die SPD ("die ich toll finde") im Interview: "Was ich möchte, ist, dass diese Partei versteht, dass sie sich verändern muss." Die SPD habe eine historische Schwäche. "Wir waren lange die Opposition, die ‚vaterlandslosen Gesellen’."

Erkentnnisse Kaum jemand kennt den Menschen hinter dem Politiker Franz Müntefering. In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" spricht er über sich: "Wenn ich auf einer Versammlung bin, unter Menschen, die mich nicht kennen, dann gibt es immer zwei Feststellungen. Erstens: Ich bin kleiner, als sie gedacht haben. 1,76 - was soll ich machen? Und zweitens: Dass ich freundlicher bin, als sie gedacht haben."

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