Eine Yacht heilt alle Wunden

Jens Westerbeck hat Boote an die „Oberen Zehntausend“ verkauft. In dem Roman „Boatpeople“ rechnet er mit ihnen ab.

Düsseldorf. Eine Welt voller Glamour, Geld und schönem Schein — Jens Westerbeck (33) hat in ihr fünf Jahre lang gelebt. Er stieg in den nobelsten Hotels ab, speiste in den teuersten Restaurants und war grundsätzlich mit Sportwagen unterwegs. Nicht, weil er den Luxus liebte, sondern weil es zum guten Ton gehörte. Yachtbroker war sein Job, millionenschwere Schiffe verkaufen seine Mission.

Heute lebt er in Berlin. Jens Westerbeck ist jetzt Autor. In seinem Romandebüt „Boatpeople“ rechnet er mit der High-Society ab. „Boatpeople“, das sind „256 Seiten Koks im Hardcover“, wie er sagt. Seine Tage als Yachtbroker waren mit Ende der Messe „Boot 2010“ gezählt. „Zum Schluss hat es mich nur noch angekotzt“, sagt Westerbeck. Zu diesem Zeitpunkt war sein Buch schon fast fertig.

Anfangs habe er noch zu seinen Kunden aufgesehen. Schnell hatte er gelernt, dass Geld zwar nicht glücklich macht, aber Probleme löst. Und davon haben die „Boatpeople“ seiner Meinung nach einige. Obwohl er auch tolle Menschen kennengelernt habe, hätten „75 Prozent der neureichen Yachtkunden ordentlich einen an der Waffel“, sagt er.

Da wären zum Beispiel Mike und Susann. „Mike ist Mitte 60. Susann ist Anfang 30 und hat Mike aus Liebe geheiratet. Aus Liebe zu Privatflugzeugen, teurem Schmuck und schnellen Autos.“ Ihr gehe es um Geld, ihm um ihren Körper, deutet Westerbeck ihr Verhältnis. Die beiden — oder besser Mike — haben eine Yacht bei Westerbeck gekauft.

Eine Yacht sei das Ausrufezeichen hinter der ganz persönlichen Verschwendungssucht, schreibt Westerbeck in seinem Roman. „Was ich damit sagen will: Mit einer Yacht verbrennen Sie Geld.“ Von Schuldgefühlen keine Spur — nicht zuletzt sein Verdienst.

Der Hauptdarsteller in dem Roman sorgt dafür, dass die Kunden sich gut fühlen — „mit Nutten, Kokain und falschen Treueschwüren“, schreibt Westerbeck. Als Kunden gehören Mike und Susann zu seinen „Freunden“, mit denen er sich „natürlich gern“ abends in einem Club trifft. Nach fünf Jahren hatte er genug von den „Boatpeople“.

Ursprünglich beschreibt der Begriff vietnamesische Flüchtlinge, die in Booten versuchten, dem Krieg in den 70er Jahren zu entkommen. Westerbecks Protagonisten sind auf eine andere Art arm dran. Seine „Boatpeople“ brauchen eine Yacht zur Flucht aus ihrem Dasein.

Nach wochenlangen Exzessen mit den Reichen und Schönen war jedes Mal Nach- Hause-Kommen „wie ein Aufprall“, sagt er. Plötzlich ging es nicht mehr um den 5000 Euro teuren Champagner oder überdimensionierte Egos. In Ostwestfalen bei Frau und Kind drehte sich die Welt viel mehr um die Stromnachzahlung von 210 Euro.

Die Relation, sagt Westerbeck, habe er schnell verloren. „Ich war da auf einem ganz anderen Planeten unterwegs.“ Die Unterschiede sind gravierend: An der Côte d’Azur stand immer irgendwo ein Jet bereit, der einen von A nach B bringen konnte.

Die Rechnung beim Italiener um die Ecke zu Hause für sechs Personen erschien unglaublich günstig. Ein Yachtbroker hat ganz andere Dimensionen vor Augen. Aber täuschen sollte man sich nicht, so Westerbeck. Der Yachtbroker lebt von der Provision, die er für die Vermittlung der Schiffe bekommt.

„Nach vier bis fünf Jahren kann ich mir meine eigene Yacht leisten“, dachte Westerbeck anfangs. „Aber das ist de facto nicht so.“ Die Kunden erwarten zu Drinks oder auch zum Essen eingeladen zu werden. Und da kann nicht die Rede vom Italiener um die Ecke sein, das hat was mit Kaviar, Austern und Filetsteak zu tun.

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