Ein Pfarrer im Kriegseinsatz

Ralf Eckert betreut die Bundeswehr in Kundus. Wie hält es ein Militärseelsorger mit dem fünften Gebot?

Kundus. Es ist 16.40 Uhr, als eine Stimme aus dem Funkgerät die schreckliche Nachricht verkündet: Anschlag im nordafghanischen Einsatzgebiet der Bundeswehr. Es gibt Tote, Verletzte. Die Miene von Ralf Eckert verdunkelt sich. Der evangelische Militärpfarrer sitzt auf einem Sofa in der Gottesburg. So haben die Soldaten das Gebäude aus Stein und Zeltwand getauft, das mit einem Schutzwall gegen Raketenangriffe gesichert ist. Ein Haus Gottes mitten im deutschen Lager in Kundus.

„Es ist schwierig, Trost zu spenden“, sagt der Pfarrer mit Blick auf den Terroranschlag, der — wie so oft — auf das Konto der Taliban geht. Viele Soldaten seien traumatisiert, wollten nur reden. „Und ich höre zu“, sagt der 42-Jährige. Häufig sei vieles unausgesprochen geblieben. „Ich sage dann, schreib einen Brief an den Toten, an seine Familie.“

Zehn Jahre war der Familienvater Pfarrer in Kurhessen-Waldeck. Dann kam das Angebot, im hessischen Stadtallendorf als Militärseelsorger zu arbeiten. „Ich habe Wehrdienst geleistet, war Reservist. Die Entscheidung fiel mir nicht schwer.“ Seine Frau habe sie mitgetragen.

Eckerts „Gemeinde“ ist weit verstreut. Wenn er etwa in den deutschen Außenposten nach Talokan fährt, hat er seinen Feldkoffer dabei. „Im Besprechungsraum räume ich die Karten vom Tisch, packe Kreuz und Gesangbücher aus“, erzählt Eckert und lacht.

Militärpfarrer Ralf Eckert

Der Umgang mit dem Tod gehört hier wie dort zum Alltag eines Pfarrers. „Es ist immer die gleiche Sinnlosigkeit — egal, ob eine Mutter überfahren oder ein Soldat in die Luft gesprengt wird.“

Wie aber steht ein Militärpfarrer zum fünften Gebot — du sollst nicht töten? „Töten ist nicht in Ordnung“, sagt Eckert. Das sei eine ethische Zwickmühle. Für seine Antwort lässt er sich Zeit. „Wenn ein Taliban eine Bombe vergräbt und erwischt wird, weiß er, was passieren kann. Jeder Soldat weiß, was ihn draußen erwartet.“ Doch die Taliban hielten sich an keine Spielregeln. „Ein Gefecht — das wäre fair. Eine Sprengfalle ist hinterhältig.“ Was rät ein Pfarrer dann den Soldaten? „Tu, was du nach deinem Gewissen tun musst. Du musst nachher aber nicht jubeln, wenn du einen Menschen getötet hast.“

Zum Gottesdienst am Sonntagabend strömen dutzende Soldaten in die Gottesburg. Es werden Kerzen für die Gefallenen angezündet. Vom Band läuft „Großer Gott wir loben dich.“ Der Krieg ist weit weg und doch so nah.

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