Ein Glückspater und Goldesel

Der Benediktinermönch Anselm Grün ist Bestseller-Autor, Geschäftsführer im Kloster und spekuliert mit Anlagen.

Schwarzach/ Main. Dieser Mönch ist ein Phänomen. Anselm Grün hat mehr als 200 Bücher geschrieben, sie sind in 33 Sprachen übersetzt worden und erreichen eine Auflage von 18 Millionen Exemplaren. Der Benediktinerpater aus der Abtei Münsterschwarzach ist außerdem Cellerar, eine Art Geschäftsführer für die 20 Kloster-Betriebe und 300 Mitarbeiter.

150 Vorträge, Kurse und Fastenwochen bietet er im Jahr an, fährt dafür gut 60.000 Kilometer quer durch Deutschland. Auch für 2010 ist der Terminkalender schon proppenvoll. Und doch wirkt Anselm Grün wie die Ruhe selbst. "Ich fühle mich nicht gestresst", bestätigt er. Am Donnerstag wird er 65 Jahre alt.

Gleich nach dem Abitur ist Grün in das Kloster eingetreten. Doch sein Name ist heute auch Atheisten bekannt. Ob für Banker, Hausfrauen oder Konzernlenker - der Pater hat sich zum viel gefragten spirituellen Berater entwickelt. "Ethisch Geld anlegen", "Die hohe Kunst des Älterwerdens" oder "Trau deiner Kraft - Mutig durch Krisen gehen" heißen einige seiner Werke, die christliche Tradition mit Elementen aus der Psychologie und asiatischen Religionen verknüpfen.

Grün stammt aus einer sehr religiösen Familie. Drei Geschwister des Vaters, der ein Elektronikgeschäft hatte, sind Benediktiner. Doch die ersten zehn Jahre als Mönch sind für ihn nicht einfach, Gedanken an eine eigene Familie kommen immer wieder.

"Ich hatte Angst, ob eine reine Männergesellschaft nicht zu spröde ist und ob man nicht zu kurz kommt mit seinen eigenen Gefühlen." Doch er geht den Weg weiter, legt seinen Taufnamen Wilhelm ab und nennt sich Anselm nach dem Benediktiner Anselm von Canterbury (1033 -1109).

Dank seines Studiums der Philosophie, Theologie und der Betriebswirtschaft ist Grün seit 1977 wirtschaftlicher Leiter der Abtei - eines mittelständischen Unternehmens mit Bäckerei, Verlag, Goldschmiede und Gymnasium. Um 4.40Uhr beginnt sein Tag mit Beten, Frühstücken, Lesen. Um 8Uhr sitzt er im Büro.

Auch der Pater selbst ist ein Wirtschaftsfaktor. Im Jahr 2006 hat er 490.000 Euro Buchhonorare und 126.000 Euro Honorare für Vorträge ans Kloster weitergeleitet, sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Mit seinen Büchern dürfte er insgesamt mehr als 100 Millionen Euro umgesetzt haben.

Ihn reizt der Umgang mit Geld. In den 80er Jahren hat er zum anfänglichen Entsetzen seiner Klosterbrüder Schulden aufgenommen und das Geld ertragreich angelegt. Später ist er vor riskanten Bonuszertifikaten nicht zurückgeschreckt, hat auch schon mal mehrere Millionen Verluste gemacht, dies aber in überschaubarer Zeit ausgeglichen.

Geld für sich selber braucht er nicht, gibt "keine 50 Euro Bargeld im Monat" aus: "Ich sehe, wie das Geld die Menschen hart macht. So will ich nicht werden. Geld gefährdet die innere Freiheit."

Im August fährt der Pater mit seinen sechs Geschwistern und einem Teil der 13 Nichten und Neffen für drei Wochen in die Berge. Eine Schwester verpasst ihm dort neue Kleidung, unter der schwarzen Kutte trägt er Jeans und Pullover.

Eine andere Schwester stutzt ihm den Bart. Bei einem Friseur war Grün seit Jahrzehnten nicht mehr, Einkaufstouren in Innenstädten kennt er nicht. Was im Fernsehen läuft, weiß er nicht. Im Auto hört er Bach und Mozart.

Obwohl der Pater hinter Klostermauern ein ganz anderes Leben als seine Anhänger führt, fühlen sich viele bei ihm aufgehoben. "Ich versuche, ihre Sehnsucht anzusprechen", sagt er. "Der Druck ist sehr groß, der Anspruch von außen und der an sich selbst." Konflikte, Intrigen - auch Mönche kennen das. "Es ist keine heile Welt."

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