Die Frau, die den Koloss beherrscht

Sibylle Koal (46) ist seit 1998 Herrin über eine 13 000 Tonnen schwere Maschine im Braunkohletagebau.

Welzow. Der stählerne Koloss vibriert beim Fahren ständig. Doch Sibylle Koal stört dieses Zittern in der Steuerkabine der Förderbrücke nicht. Hochkonzentriert beobachtet die Maschinistin mehrere Bildschirme, auf denen Schaltbilder mit Daten der F60-Abraumförderbrücke zu sehen sind. „Das ist meine eiserne Lady“, sagt Koal zu dem nach ihren Angaben größten Maschinenverband der Welt.

Sibylle Koal über ihren Beruf Manchmal drückt sie einen Knopf, klickt mit der PC-Maus ein Symbol an oder spricht in ein Mikrofon an ihrem Schaltpult. Die 46-Jährige ist Herrin über mehr als 13 000 Tonnen Stahl im Lausitzer Braunkohletagebau.

An die gewaltigen Dimensionen des Maschinenkomplexes in der südbrandenburgischen Grube Welzow-Süd hat sich Koal gewöhnt. „Ich bin seit 1998 auf dem Leitstand und stolz darauf, hier zu arbeiten.. Sie ist eine von drei Frauen im Lausitzer Kohlerevier, die einen der vier Giganten fahren.

Ungefähr 400 Meter pro Stunde legt der Gerätekomplex zurück, der langsam auf Schienen rollt und von Baggern begleitet wird. Diese baggern die Erde — in der Bergmannsprache Abraum genannt — ab und schütten sie auf Förderbänder. Weil die Abtragsmächtigkeit 60 Meter betragen kann, heißt das Gerät F60.

„Die Anlage läuft zurzeit perfekt, ohne Störungen“, sagt Koal. Die blonde, drahtige Frau hat den Beruf der Maschinistin von der Pike auf gelernt und kennt an der F60 „fast jede Schraube.“ Die Riesengeräte wurden noch zu DDR-Zeiten in Lauchhammer gebaut.

„In einer Schicht transportiert die Förderbrücke bis zu 160 000 Kubikmeter Erde von der Gewinnungsseite zur Kippenseite“, erläutert Koal. Mit dieser Menge könnte das alte Gasometer in Oberhausen fast zur Hälfte gefüllt werden.

Koal teilt sich die Schichten im Leitstand, der wie ein gelbes Schwalbennest im unteren Teil der mächtigen Brücke hängt, mit einem Kollegen. Sie ist ständig mit dem Vorarbeiter und dem Steiger Frank Kuchenbecker in Kontakt. Der Steiger ist voll des Lobes über seine Kollegin: „Sie lässt sich nicht aus der Ruhe bringen“, sagt der 51-jährige Kuchenbecker.

Koal, die sich in ihrer Freizeit der Familie widmet und gern wandert, verfolgt aufmerksam die energiepolitische Debatte. Dazu gehört der Streit mit Kohlegegnern um die geplante Weiterführung des Tagebaus Welzow-Süd, von dem auch die Zukunft der F60-Anlage betroffen ist. „Ich bin davon überzeugt, dass die Braunkohle das wirtschaftliche Rückgrat der Region ist“, sagt Koal.

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