Der Mann, der Hoffnung bringt

Die Kastelruther Spatzen und ihr Sänger Norbert Rier stehen für eine beispiellose Erfolgsgeschichte.

Kastelruth. Norbert Rier, Sänger der Kastelruther Spatzen, merkt wohl, dass die Zeiten schlechter geworden sind: "Unsere Fans wollen sich einen Abend lang zurücklehnen. Sie wollen sich erholen, sie wollen Hoffnung schöpfen." Das Rezept ging aber schon vor der Krise glatt auf. Seit bald 30 Jahren singen die Spatzen von den Sternen überm Rosengarten, vom Himmel, der ewig brennt, von Liebe, die ein Leben lang hält.

Als erste Formation im Volksmusiksektor hat die Gruppe aus Südtirol jedoch auch Themen wie Scheidung und Arbeitslosigkeit aufgegriffen. "Wir passen allerdings auf, dass unser Programm nicht zu deprimierend wird", sagt Rier. "Am Ende muss immer die Hoffnung stehen. Und wenn sie von der Bühne herunterkommen, stehen da Konzertbesucher mit Tränen in den Augen und sagen "durch eure Lieder habe ich wieder Sinn im Leben gefunden".

Diese Einschätzung muss man nicht teilen, aber der Erfolg ihrer "Schlagermusik im Trachtenstil" (Dieter Thomas Heck) lässt keinen Raum für Interpretationen. Mehr als zwölf Millionen CDs haben die Spatzen bisher verkauft. Sie können ihre Wände mit mehr als 100 Goldenen Schallplatten dekorieren und sind damit die erfolgsreichste Gruppe des volkstümlichen Schlagers.

Der Erfolg reicht bis in ihren Heimatort. Kastelruth lebt sowieso gut vom Tourismus, aber die Musikgruppe ist ein erheblicher zusätzlicher Wirtschaftsfaktor für das 2000-Einwohner-Dorf. Allein ihr jährliches "Spatzenfest" zieht an drei Tagen 50000 Menschen in das riesige Bierzelt - und das im Oktober, wenn es im Schatten der Seiser Alm eigentlich schon recht ruhig ist.

Dort ist Norbert Rier Mitglied im Gemeinderat, weil er "schon immer ein Vereinsmensch" gewesen ist. Das Dorf sei schon sehr stolz auf die Spatzen, sagt er. Dass seine Stimme deshalb besonderes Gewicht hat, glaubt er trotzdem nicht: "Ich sitze da halt für die Bauern."

Über schmelzende Gletscher und Schäden durch ungebändigten Tourismus spricht man dort wohl nicht. "Man darf die Wirtschaft nicht bremsen", sagt Rier. Er kämpft nach eigener Aussage vor allem dafür, dass in Kastelruth "nicht so viele moderne Kästen" gebaut werden: "Die Tradition darf nicht verloren gehen."

In seinen Bergen mag er nicht die bedrohten Alpen sehen ("Man soll die Leute nicht in Panik versetzen"), sondern vertraut dem altbekannten Idyll: "Man muss dankbar sein, dass man früh aufstehen und bei einer Wanderung die Natur, die Blumen und Tiere genießen kann."

Er steht gern um 6 Uhr auf, geht dann zu seinen Haflingern: "Die Stallarbeit ist für mich wie ein Fitness-Studio." Doch auch auf seinem Hof tauchen immer wieder Fans auf. Rier wappnet sich mit Fassung. Das sei schon ein bisschen stressig, aber man sei ja auch Vorbild. "Die meisten wollen ja nur ein Foto oder einen Händedruck." Dann seien sie so glücklich, dass es ihren ganzen Urlaub überstrahle.

Am Donnerstag wird in Berlin der Musikpreis Echo verliehen, der die Verkaufszahlen der Alben honoriert. Zwölf Auszeichnungen hat die Gruppe seit 1993 gesammelt - zum Vergleich: Herbert Grönemeyer bekam bisher acht. Die Chancen stehen gut, dass die Spatzen nun den 13. Echo bekommen. Sicher ist aber schon, dass sie auch diesmal als Gewinner nicht spielen dürfen: Das mag die hippe Popbranche auch 2010 nicht hören, da bleibt sie intolerant.

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