Der Lausitzer Möwen-Flüsterer

Aus einem Hobby wurde Leidenschaft: Heiko Michaelis beobachtet die Tiere in der Seenlandschaft seiner Heimat.

Senftenberg. Heiko Michaelis wohnt nur einen Steinwurf von einem Möwenparadies entfernt. Aber der 44-jährige Hobby-Ornithologe lebt nicht etwa an der Küste, sondern im Lausitzer Seenland.

Dort beobachtet der Senftenberger aus Leidenschaft das muntere Treiben der Vögel unweit seiner Wohnung am Sedlitzer See. Die Region in Südbrandenburg und Ost-sachsen ist zu einem Treffpunkt der Vogelwelt aus ganz Europa geworden.

Auf Inseln in den gefluteten Tagebaugruben zwischen Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz) und dem sächsischen Hoyerswerda haben sich Möwen aus dem Hohen Norden, den Steppen der Ukraine sowie vom Mittelmeer angesiedelt.

Fast täglich ist Michaelis an dem Bergbausee unterwegs. Ausgerüstet mit Fernglas, Stift und Schreibblock hält der Verkäufer für Agrarprodukte seit Jahren fest, was die Möwen aus ganz Europa in der Lausitz so treiben.

„Es klingt unglaublich, aber erst die gefluteten Tagebauseen haben uns diesen Artenreichtum beschert“, schwärmt der Senftenberger. „Dort gab es vor der Bergbauzeit nur Lachmöwen und Fluss-Seeschwalben, später sind durch das größere Wasserangebot Steppen-, Mittelmeer- und Sturmmöwen hinzugekommen.“

Der Ehrenamtler notiert im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Berlin-Brandenburger Ornithologen akribisch, welche Vögel wann und wo auftauchen. Diese Informationen werden auch von den hiesigen Behörden genutzt.

Als Michaelis 1969 geboren wurde, schürften im Tagebau Sedlitz noch die Bagger nach Braunkohle. Wer ihm die Liebe zu den Vögeln in die Wiege gelegt hat, kann der 44-Jährige nicht konkret beantworten: „Ich erinnere mich aber an meine Oma. Die hat mich öfter in Wald und Feld mitgenommen und dort vieles erklärt.“ Am meisten imponierten dem Jungen die Vögel. „Sie vermitteln mir bis heute ein Gefühl der Freiheit.“ Daran habe sich nichts geändert.

Als die Bagger 1980 aus dem Tagebau Sedlitz abzogen, stieg der Wasserspiegel im Restloch an — immer mehr Vogelarten fanden sich ein. Besonders die Möwen fühlten sich von Beginn an auf den kleinen, unbewachsenen Inseln wohl. „Dort können sie ungestört brüten und ihre Jungen großziehen“, erklärt Michaelis. Er spricht von „Möwen-Kindergärten“.

Michaelis hilft auch beim Beringen der Möwen mit. „Inzwischen ist nachgewiesen worden, dass sich die Arten im Seenland verpaaren.“ Genetische Untersuchungen hätten diese anfängliche These bestätigt. „Wir schreiben also eine kleine Evolutionsgeschichte“, freut sich Michaelis. Allerdings sei nicht gesichert, ob die Nachkommen fortpflanzungsfähig sind. „Da gibt es noch Forschungsbedarf.“

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