Der Himmel hat es ihm angetan

Sven Plöger ist fasziniert von Stürmen und Gewittern. Trotzdem fordert der Wetterexperte von uns allen mehr Einsatz im Kampf gegen die Erwärmung der Erde.

Bonn. Er steht auf Blitz und Donner und schwebt gern am Himmel. Hauptberuflich jedoch lächelt er freundlich in Kameras und erklärt das Wetter: "Da kommt was auf uns zu!" Sven Plöger macht aus jeder Wettervorhersage im Fernsehen eine kleine Show. Sein Humor und die Gabe, verständlich zu erklären und selbst nervendem Dauerregen noch was Aufregendes abzugewinnen, haben den prominenten Wetterfrosch so beliebt gemacht.

"Ich würde mir die Haare raufen, hätte ich welche." Sven Plöger sitzt in einem urigen Kölner Restaurant und fährt sich lachend mit beiden Händen über den breiten Scheitel, schüttelt dann den Kopf und wird ernst: "Um im Alltag was tun zu können, muss man kein Klimaexperte sein, aber die Gleichgültigkeit, die Oberflächlichkeit, die ist hinderlich." Er ist mitten in dem Thema, das er "eine große Leidenschaft" nennt - Klimaschutz.

Der Klimawandel sorgt dafür, dass Meteorologen, Wetterforscher wie Sven Plöger also, öfter extreme Wetterverhältnisse ankündigen müssen als früher. Hier Hitze und Trockenheit, da Dauerregen und Stürme. Plöger selbst gerät dabei in einen Zwiespalt, denn die Kracher unter den Wettererscheinungen haben es ihm eigentlich angetan: "Ein Tornado ist für mich einerseits ein faszinierendes Phänomen, andererseits bedrückt es mich zu wissen, wie viel Leid er bringen kann."

Sven Plöger

Es muss ja nicht gleich ein Tornado sein: Ein einfaches Gewitter am späten Abend reichte schon als Schlüsselerlebnis für den damals kleinen Sven in Bonn. Der heute 41-Jährige erinnert sich: "Auf einmal war alles hell, der Blitz schlug ins Stromhäuschen auf dem Feld hinter dem Haus ein und plötzlich war alles schlagartig dunkel und es stank nach Schwefel, das war für mich faszinierend."

Sven Plöger studierte später Meteorologie in Köln, wurde 1996 Mitarbeiter beim Wetter-Guru Jörg Kachelmann in der Schweiz. Seitdem ist Plöger dem Himmel ein Stück näher - sein Arbeitsplatz liegt auf über 1100 Metern Höhe.

Während Plöger erzählt, studiert er die Speisekarte, schwankt zwischen spätem Frühstück und frühem Mittagessen. Schließlich entscheidet er sich für Müsli und meint kurz darauf: "Ich hätte einen Salat nehmen sollen."

Der wäre wohl verwelkt, denn wenn Plöger plaudert, kommt er kaum zum Essen. Der schlanke, sportliche Typ lacht viel, flüstert, als andere Gäste neugierig rüberschauen, legt nachdenklich den Finger vor den Mund, gestikuliert wie ein Prediger - die Hände zum Himmel: Ja, der Himmel habe es ihm angetan, gibt er zu: "Ich bin wohl ein Hans-guck-in-die-Luft!" Er guckt nicht nur hoch, er schwebt auch oft am Himmel - hobbymäßig beim Segel- und Gleitschirmfliegen.

Bei aller Begeisterung für Himmel und Wetter bleibt der Meteorologe erdverbunden: "Ich mag ja Wetter sehr", flachst er, "aber ich mag auch Leute." Andere freilich schreiben der Meteorologie durchaus eine himmlische, ja eine theologische Dimension zu, weiß Plöger. Er nimmt einen Löffel Müsli, legt ihn wieder in die Schüssel und berichtet schmunzelnd von einem Erlebnis als Student: Da sei er mal gefragt worden, welche Meteorologie er studiere - "evangelische oder katholische".

Nicht lachen kann der evangelische Wettermann Plöger, wenn Medien seine Wissenschaft im Boulevardstil verwässern: "Biowetter in drei Sätzen, das ist ein typisch deutscher Schnickschnack!", kritisiert er, rutscht auf seinem Stuhl hin und her. Nervös wirkt er nicht, einfach nur lebhaft.

So wie er beim Wetterbericht im Fernsehen mitunter die Arme schwenkt, als wolle er pantomimisch den Wind darstellen. Ein Meteorologe, sagt er, sei kein Wetterprophet: "Eine gescheite Wettervorhersage ist so für fünf bis sieben Tage möglich, auf den nächsten Tag sogar um 90 Prozent genau."

Um längere Zeiträume geht es beim Klimawandel, der, durch Umweltsünden beschleunigt, Ernten gefährdet. Für Plöger eine politische Herausforderung: "Fast sieben Milliarden Menschen wollen leben, essen, da allein fängt schon die globale Verantwortung der Politiker an." Von der Politik fordert er darum ein schlüssiges Konzept: "Ich bin manchmal traurig, was sich in der EU abspielt, mich ärgert diese Unentschlossenheit."

Man solle nicht fossile Brennstoffe oder Atomkraft verteufeln, sondern Projekte erneuerbarer Energie in Kombination von Wind, Wasser, Sonne fördern.

Das verspreche in Zeiten der Finanzkrise gar wirtschaftlichen Aufschwung, schreibt er in seinem Buch "Gute Aussichten für morgen. Wie wir den Klimawandel für uns nutzen können". Eine Wunderwaffe gegen alle Probleme werde es nicht geben, sagt Plöger - aber: "Die Antwort auf den Klimawandel ist die Lösung der Energiefrage."

Experte Plöger fordert Einsicht und Einsatz von allen: "Ich bin kein Politiker, aber Verantwortung tragen auch Wissenschaftler und Journalisten, um verständlich und sachlich aufzuklären." Dann hebt er wieder die Hände und sagt: "Ich glaube, dass wir es schaffen können, wenn wir nur lernen, langfristig zu denken."

Langfristig angelegt scheint bei Sven Plöger auch die Nahrungsaufnahme - nach über einer Stunde ist die Schale Müsli noch immer nicht leer. Er spricht darüber, wie ernst er bei allem Humor die Wetterprognose im Fernsehen nehme: "Ich bin fast jeden Tag in den Wohnzimmern der Leute, da hat man auch eine gewisse Zuständigkeit." Doch beim endlich letzten Löffel schränkt er lächelnd ein: "Allerdings die Verantwortung fürs Wetter, die haben wir Meteorologen nun mal Gott sei dank nicht."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort