Christoph Waltz: Gucken Sie sich meine Visage an!

Christoph Waltz wird dank Quentin Tarantinos Film „Inglourious Basterds“ schlagartig zum Superstar.

Cannes. Wer kann schon von sich behaupten, Brad Pitt die Show gestohlen zu haben? Christoph Waltz kann es. In Cannes, wo er bei den Filmfestspielen für seine Rolle des SS-Oberst Hans Landa in Tarantinos "Inglourious Basterds" ausgezeichnet wurde, sahen alle Augen nur auf den Österreicher, dessen Karriere nun einen großen Sprung machen dürfte.

Dass er es ausgerechnet mit einer Nazirolle in die internationale Topliga schaffen würde, ist kurios. Denn gerade vor diesen Rollen hatte ihn sein Hollywood-Agent Paul Kohner vor Jahren gewarnt. Beim Casting für Quentin Tarantinos neuen Film hat sich Waltz deshalb erstmal keine großen Hoffnungen gemacht. Doch der Regisseur war sofort begeistert. "Er hat meinen Film gerettet", erzählte Tarantino in Cannes.

"Wir waren kurz davor, den Dreh abzublasen. Ich wollte keine Kompromisse, lieber hätte ich das Skript nur als Buch veröffentlicht." Doch dann kam Waltz, und Tarantino war klar: "Wir machen einen Film!" Waltz sei genau das "linguistische Genie", das er gesucht habe.

Tatsächlich spricht der 52-jährige Schauspieler nicht nur im Film vier Sprachen fließend. Souverän trägt er das dialog-lastige Werk. Sein Deutsch enthält immer einen sanften Wiener Hauch, der die Menschen zunächst für sich einnimmt, das Abgründige seiner Figuren aber noch unterstreicht.

Psychopathen sind seine Spezialität. "Gucken Sie sich meine Visage an", sagte Waltz in einem Interview. "Würden Sie mich für einen Otto-Normal-Verbraucher besetzen?" Er scheint zunächst völlig harmlos mit seinem akkuraten Scheitel, dem etwas schiefen Gesicht und der tapsig-melancholischen Ausstrahlung. Doch die freundlich strahlenden Augen können plötzlich eine bedrohliche Kälte ausstrahlen.

Oft schon spielte der Österreicher kranke, kriminelle oder gebrochene Charaktere: den alkoholkranken Schlagerstar Roy Black ("Du bist nicht allein"), den Amokläufer von Euskirchen ("Tag der Abrechnung") und den Entführer von Richard Oetker ("Tanz mit dem Teufel"). "Das ist das Reizvolle in unserem Beruf. Man kann das Verkorkste, das Versteckte, was in jedem von uns begraben ist, je nach Bedürfnis und Rolle herauskitzeln."

Der eigenwillige Schauspieler stammt aus einer Theaterfamilie. Schon seine Großeltern waren am Theater, seine Eltern waren Bühnen- bzw. Kostümbildner. Kein Wunder also, dass Waltz bereits mit 19Jahren auf der Bühne des Zürcher Schauspielhauses stand. Seine Ausbildung absolvierte er in Wien und am Lee-Strasberg-Institut in New York, wo er seine erste Frau, eine amerikanische Psychotherapeutin, kennenlernte. Mittlerweile ist die Ehe geschieden.

Vor einigen Jahren hat sich Waltz "wegen des feinen britischen Humors" in London niedergelassen. Eine Rückkehr aufs europäische Festland ist nicht abzusehen. "Es schmerzt über die Maßen, wie hier Möglichkeiten vergeigt werden", kritisiert er den deutschen Kulturbetrieb. Zwar wurde er gerade als neuer "Tatort"-Kommissar für Frankfurt gehandelt, doch seine Absage kam prompt. "Das ist völliger Unsinn", sagte Waltz der Illustrierten "Bunte". Er habe nichts gegen die ARD-Krimiserie, "sondern ich habe was gegen Wiederholungen von immer demselben". Früher oder später verfange sich das in der Bürokratie - "zwangsläufig, und das ist das, was ich nicht machen will".

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