Caster Semenya: Ist diese Weltmeisterin eine Frau?

Die Südafrikanerin Caster Semenya soll genetisch untersucht werden. Ihre Landsleute sind empört.

Berlin/Johannesburg. Den 800-Meter-Lauf der Frauen erledigt Caster Semenya am Mittwochabend ganz rasch. Die Südafrikanerin zieht 250 Meter vor dem Ziel das Tempo an und kommt lässige zwei Sekunden vor der Titelverteidigerin Janeth Jepkosgei Busienei aus Kenia ins Ziel. So überlegen gewinnt sonst nur Publikumsliebling Usain Bolt.

Doch die Zuschauer in Berlin, die sonst jeden Sieg frenetisch bejubeln, reagieren überaus zurückhaltend. Sie sind offenkundig irritiert vom männlichen Laufstil, den muskulösen Armen, der tiefen Stimme, der Leistungsexplosion der 18-Jährigen.

Denn Semenya ist aus dem Nichts an die Weltspitze gestürmt. Vor zehn Monaten brauchte sie noch 2:04,24 Minuten für 800 Meter. Vor drei Wochen gewann sie die afrikanischen Juniorenmeisteschaften in 1:56,72 Minuten: Neue Weltjahres-Bestzeit. In Berlin legte sie noch mal zu und kam bei grandiosen 1:55,45 Minuten ins Ziel. Auch der Leichtathletik-Weltverband IAAF hegt Zweifel, ob die neue Weltmeisterin tatsächlich eine Frau ist. Er will, dass Semenya einen Geschlechts-Test macht.

Der Verband hat der Läuferin auch die eigentlich obligatorischen Sieger-Pressekonferenz erlassen. "Um sie in ihrem Alter zu schützen", sagte IAAF-Generalsekretär Pierre Weiss. Man werde sehr vorsichtig mit dem Thema umgehen, um Diskriminierungen zu vermeiden. Andererseits sagt Helmut Digel vom IAAF: "Es stehen aber bei Jugend- und Junioren-Weltmeisterschaften Vermutungen im Raum, dass Manipulation in dieser Richtung staatlicherseits begünstigt wird." Das passiere besondern in Entwicklungsländern.

In ihrem Heimatland Südafrika hingegen feiert man das "Golden Girl" und ist empört über die Zweifel an Caster Semenya. "Mein Kind ist ein Mädchen", sagte ihre Mutter Dorcas Semenya der Zeitung "The Star". Die 50-Jährige ähnelt ihrer Tochter stark. "Mich besorgt das Ganze nicht einmal, weil ich weiß, wer und was mein Kind ist. Caster ist weiblich, und niemand kann das ändern.

"Sie sagte mir, dass sie sie dort für einen Mann halten", sagte Casters Großmutter Maphuti Sekgala (80) der Zeitung "The Times" und meinte: "Was kann ich machen, wenn man sie als Mann bezeichnet, obwohl sie keiner ist? Gott hat sie so gemacht!"

Schon früh hatte die Sportlerin aus dem Dorf Ga-Masehlong mit Zweifeln zu kämpfen. "Bei Sportveranstaltungen behaupteten Lehrer anderer Schulen mitunter, sie wäre ein Junge", berichtete ihr ehemaliger Lehrer. Wenn sie mit ihren fünf Geschwistern nicht gerade im elterlichen Haushalt half, kochte, Wäsche wusch oder Wasser holte, galt ihre ganze Begeisterung dem Fußball.

"Sie mag es, sich mit den Jungs zu messen und läuft ihnen beim Training meist davon. Das motiviert sie sehr, da es sie in eine bessere Ausgangslage versetzt, wenn sie gegen Frauen antritt", sagte ihr Trainer der "Times". Auch er kennt das Problem. Kürzlich sei Caster an einer Tankstelle der Zugang zur Damentoilette verweigert worden. Da habe sie nur gelacht und gefragt, ob sie ihre Hose runterziehen solle. Und dann sei sie natürlich aufs Damen-WC gegangen.

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