Annette Humpe wird 60: Der deutsche Pop ist ihre Passion

Sie ist eine Ikone der Neuen Deutschen Welle und feierte mit Ich + Ich Erfolge. Jetzt wird Annette Humpe 60.

Berlin. Es ist kein schöner Geburtstag, wie die Musikerin in entwaffnender Ehrlichkeit zugibt. "Eine olle Zahl, die klingt furchtbar. Toll ist das nicht, das kann mir keiner erzählen." 60 Jahre wird Sängerin Annette Humpe, deren Lieder Ohrwurmqualitäten haben, am Donnerstag alt - und spielt, was die Musik angeht - immer noch ganz vorne mit. Mit der Band Ich + Ich räumt Humpe einen Preis nach dem anderen ab.

Angefangen hat Humpe in Berlin, zu Mauerzeiten in den 70ern, als Männer vor der Bundeswehr in den Westen der Stadt flohen und David Bowie dort lebte.

Für Humpe, die aus der westfälischen Provinz stammt, war die Stadt ein Kulturschock im besten Sinne. "Berlin war für mich das Allergrößte", erzählt sie. "Ich kam am Bahnhof Zoo an, und es war Liebe auf den ersten Blick. Ich dachte: Hier gehe ich nicht mehr weg."

Erste Erfolge hatte sie mit ihrer Schwester Inga und der Band Neonbabies. Der Durchbruch kam 1980 mit Ideal. "Ich fühl’ mich gut, wir steh’n auf Berlin!" sang die Band. Mit dem rotzigen Song brachten die Musiker das Lebensgefühl einer ganzen Generation auf den Punkt.

Auch "Blaue Augen", ein Liebeslied für Humpes damaligen Freund, "Eiszeit" und "Monotonie" wurden Hits. 1983 trennte sich Ideal. Die Neue Deutsche Welle wurde kommerziell und verflachte.

Von Rio Reiser als "König von Deutschland" bis zum krachenden Erfolg der Prinzen ("Küssen verboten"): Humpe schaffte es in den Jahren danach oft, Musik zu produzieren, die einen Nerv traf, aber nicht dem Zeitgeist hinterhechelte. "Ich pass’ nur auf, dass die Gefühle stimmen. Wenn ich eine Zither in einem Stück haben möchte, überlege ich nicht, ob das modern ist", sagt sie.

Seit 2004 erobert Humpe mit dem fast 30 Jahre jüngeren Sänger Adel Tawil im Duo Ich + Ich ("Du erinnerst mich an Liebe", "Vom selben Stern") und mit gefühlvollem Pop die Charts. Live mag sie nicht mehr auf der Bühne stehen, weil sie sich dort nicht wohlfühlt, so dass nur Tawil bei Konzerten zu sehen ist.

Gibt es etwas, das man ihr bieten könnte, damit sie wieder auftritt? "Nein. Wenn ich so singen könnte wie Beth Ditto, das kann ich aber nicht." Humpe produziert gerade ein Album mit Max Raabe, das im Januar erscheinen soll. Ich + Ich haben eine kreative Pause für Soloprojekte eingelegt.

Ein kleines Trostpflaster ist das Best-of-Album zum Geburtstag, auf dem nicht nur ihre eigenen Titel versammelt sind, sondern auch Versionen von Unheilig, Lindenberg Songs der Band 2 Raumwohnung von Schwester Inga.

Diese befördert den Ideal-Hit "Berlin" in die heutige Zeit mit Zeilen wie "Checkpoint Charlie Touri-Busse im Kreis / Und endlich ’ne Straße, die Rudi Dutschke heißt".

Wenn ihre alten Hits im Radio laufen, freut sich Humpe. Ihr 18 Jahre alter Sohn hört lieber anderes, Bob Dylan oder Chillout-Musik, und will Schriftsteller werden.

Über Schwester Inga (54) sagt sie: "Das ist große Liebe, und trotzdem kann man sich auf dem Wecker gehen, das ist wie bei einer Beziehung."

Ihren Geburtstag will sie mit Freunden feiern. "Es ist ja auch zu spät, um jung zu sterben", sagt sie und lacht.

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