Alice Schwarzer wird 70: Zwei Seiten einer streitbaren Frau

Verletzlich ist sie, aber auch angriffslustig. Am Montag feiert die Frontfrau des Feminismus ihren 70. Geburtstag.

Düsseldorf/Köln. An kaum einer Person scheiden sich die Geister so sehr wie an Alice Schwarzer. Die Kölner Journalistin und Autorin ist Deutschlands bekannteste Frauenrechtlerin, ihre Verdienste um die Gleichberechtigung werden zwar allgemein anerkannt. Schwarzer, die am Montag 70 Jahre alt wird, ist aber auch umstritten und kennt Anfeindungen und Häme als ständige Begleiter.

Alice Schwarzer sieht sich selbst als eine wissensdurstige und lebenslustige Frau, die gern feiert, viele Freunde hat. So beschreibt sich die Wuppertalerin in ihrer Autobiografie. Darin gibt sie erstmals auch Einblicke in ihr Privatleben. Sie hat Männer und Frauen geliebt, ist seit Jahren liiert mit einer namentlich nicht genannten Frau. Sie sei tolerant und auch verletzlich — sagt Schwarzer über Schwarzer.

Viele beschreiben sie als charmant, eloquent. Auch in Talkrunden überzeugt sie mit scharfem Verstand und scharfer Zunge. 2005 hat Schwarzer das Bundesverdienstkreuz erhalten. Es gibt aber auch das andere Bild: Schwarzer als autoritäre Figur, besserwisserisch, machtbesessen — ein weiblicher Macho.

Zu ihren Kritikern gehören die frühere „taz“-Chefredakteurin Bascha Mika oder Lisa Ortgies, die 2008 kurz als „Emma“-Chefredakteurin amtierte, dann aber schnell den Posten räumte. Viele junge Autorinnen wie Charlotte Roche oder Forscherinnen halten Schwarzers Themen für nicht mehr aktuell, manche meinen, es sei Zeit abzutreten.

Schwarzer mischte erst in Frankreich in der Frauenbewegung mit, dann wurde sie feministische Frontfrau in Deutschland. Der „Kleine Unterschied“ machte sie 1975 berühmt. Zwei Jahre später startete sie „Emma“.

Viele Kampagnen hat Schwarzer angezettelt, Unterdrückung von Frauen angeprangert, Flagge gezeigt gegen Benachteiligung in der Arbeitswelt oder Diätwahn — manches Mal wurde sie dafür übel beschimpft.

Geschadet haben ihrem Ansehen zwei Engagements für die „Bild“. 2007 warb sie für das Blatt, obwohl sie es vorher als frauenverachtend attackiert hatte. Kritiker sahen ihre Glaubwürdigkeit beschädigt. Dasselbe auch, als sie für „Bild“ vom Prozess gegen Jörg Kachelmann berichtete. Schwarzer sagt, sie habe gegen den Mainstream angeschrieben, der einseitig für Kachelmann Partei ergriffen habe.

Der „verlogene Fall“ ekele sie an, erzählt Schwarzer. Das Landgericht Köln hatte ihr jüngst in einer einstweiligen Verfügung eine „Emma“-Glosse verboten, weil der Eindruck erweckt werde, Kachelmann habe die Vergewaltigung begangen. Schwarzer bestreitet diese Darstellung und will sich notfalls durch alle Instanzen wehren.

Einen heftigen Sturm hat sie gerade überstanden: Zu Jahresbeginn war ihr Feminismus-Archiv in Gefahr. Die Landesregierung hatte die Mittel gekürzt. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) sprang mit einer Vier-Jahres-Zusage ein. „Großartig“, sagte die Publizistin dankend.

Ihr Lob gilt aber nur Schröders Hilfe, nicht ihrer Frauen-Politik. 2010 hatte sie der Ministerin feindselig Versagen vorgeworfen, ihr zu einem Job als Pressesprecherin „konservativer Männerbünde“ geraten. Schröder hilft ihr nun trotzdem aus der Patsche.

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