Abi und Uni-Diplom mit 19

Porträt: Viele Schüler quälen sich durch ihre Reifeprüfung. Sebastian Weingärtner hat nebenher noch Informatik studiert.

Würzburg. Außenseiter, Überflieger, hochbegabt — diese Begriffe will Sebastian Weingärtner über sich nicht lesen. Klar sei es außergewöhnlich, mit 19 schon Abi und Uni-Diplom in der Tasche zu haben. Aber seine Fähigkeiten lägen nur im Kognitiven. „Ich bin nicht anders als andere. Ich bin zum Beispiel nicht so der praktische Typ. Ein Regal zusammenzubauen kriege ich noch hin, Kochen ist aber nicht so meine Stärke.“ Daher wolle er auch nicht als hochbegabt bezeichnet werden. Seinen IQ will der 19-Jährige nicht verraten, er dürfte aber jenseits der 130 liegen. „Das ist privat“, sagt Sebastian lediglich.

Heute bekommt der ehrgeizige junge Mann in Würzburg seine Universitätsurkunde für ein mit der Note 1,1 abgeschlossenes Informatikstudium überreicht. Er ist damit nach Angaben der Uni Würzburg der erste Schülerstudent Süddeutschlands, der noch als Gymnasiast sein Unidiplom gemacht hat. Bundesweit gesehen kam ihm nach Hochschulangaben nur einer zuvor: Vor gut anderthalb Jahren absolvierte der damals 18-jährige Felix Dietlein neben der Schule ein Mathematikstudium in Köln.

Beim Händeschütteln wirkt der schlaksige Frühstudent Sebastian noch etwas schüchtern. Er erinnert beim ersten Blick an den jungen Ashton Kutcher, US-Schauspieler und Ehemann von Demi Moore. Seine welligen, braunen Haare verdecken ab und an seine großen Kulleraugen. Sein weißes Hemd ist ein wenig zu weit geöffnet, dazu trägt er einen schwarzgrauen Rautenpulli. Ist Sebastian ein Spießer, ein Musterschüler? Im Gegenteil.

Es ist ihm wichtig, zu betonen, dass er kein Streber ist, der nur mit seinen Büchern lebt. Mehrfach sei er — der „Quatschkopf“, wie er selbst sagt — in der Schule nach Albernheiten mit Freunden aus dem Klassenzimmer geflogen. „Ich habe mich im Mathematikunterricht gelangweilt“, erklärt der 19-Jährige. Aufgewachsen im Raum Bad Kissingen mit zwei älteren Geschwistern wird seinen Eltern schnell klar: Ihr jüngster Spross kann gut mit Formeln und Zahlen umgehen.

Um ihn weiter zu fördern, schicken die Akademiker ihren damals 15-jährigen Sohn an die Uni Würzburg. Dort ist das Frühstudium für besonders begabte Schüler seit dem Wintersemester 2004/05 möglich — auch andere Hochschulen bieten es mittlerweile an. Während seine Kommilitonen allerdings täglich nach Vorlesungen und Seminaren büffeln, fährt Sebastian Mountainbike. „60 Kilometer am Stück waren es mindestens“, erzählt er, und das fast jeden Tag.

Für seine Freundin bleibt neben Uni und Schule auch noch Zeit, selbst als er zusätzlich noch ein Mathematikstudium beginnt.

Nach acht Semestern Informatikstudium — der Durchschnitt liegt bei elf Semestern — hat Sebastian sein Uni-Diplom in der Tasche. Demnächst folgt der Bachelor in Mathematik, „aus der Ferne“, wie er sagt. Denn mittlerweile arbeitet der 19-Jährige in Heidelberg an seiner Doktorarbeit in Medizininformatik. „Ich würde nicht sagen, dass ich nicht hochbegabt bin. Aber warum redet man zum Beispiel bei einem Handwerker, der ohne Lot eine wunderbar gerade Mauer hochziehen kann, nicht auch von hochbegabt?“

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