„Wir könnten Menschen beamen“

Der Physiker Kai Schmidt (34) hat den Innovationspreis gewonnen. Sein Gebiet ist die „frustrierte Quantenphysik“.

Dortmund. Die Zunge streckt er seinem Gegenüber nicht heraus. Und die Haare sind auch nicht wirr in die Höhe toupiert, sondern mit ein bisschen Gel zum Irokesen-style geformt. Trotzdem könnte sich der Quantenphysiker Kai Schmidt als würdiger Erbe Einsteins erweisen.

Für seine Forschungen hat der 34-Jährige gerade den Innovationspreis des Landes NRW in der Kategorie Nachwuchs bekommen. An der TU Dortmund forscht er auf dem Gebiet der "frustrierten Quantenphysik", wie Kai Schmidts Teil der Molekularstrukturwissenschaft heißt.

Physik, die frustriert? Für viele ist das im Zusammenhang mit dem Wort Physik ein nur allzu verständliches Adjektiv. Doch Schmidts Frustration ist nicht nur elementarer, sondern auch nützlich. Denn auf der Grundlage der Forschungen des 34-Jährigen könnten Computer entstehen, die in einigen Sekunden die Aufgaben lösen, die heutige Super-Rechner mehr als 100 Jahre beschäftigen.

"Theoretisch wäre es damit sogar möglich, Menschen zu beamen - ganz so, wie bei Raumschiff Enterprise", sagt Schmidt. Zwar haben Forscher das System der Aufspaltung des Menschen in seine Atome bereits entschlüsselt. An der Rechenaufgabe, die Atome wieder zu einem Menschen zusammenzusetzen, würde heute aber jeder Rechner in die Knie gehen.

"Quantencomputer gelten als die Rechner der Zukunft. Denn sie sind um ein Vielfaches leistungsfähiger als herkömmliche Computer", erklärt Kai Schmidt. Doch die Eigenheiten des Quantenreichs bringen auch eine ganze Reihe von Problemen mit sich.

Denn für die kleinsten Teilchen gelten andere Regeln. "In der Welt der ,normalen’ Computer herrscht die Dualität: Null oder Eins, wahr oder falsch, an oder aus", sagt Schmidt. Anders jedoch bei einem Quantencomputer: Denn Atome und Moleküle gehorchen besonderen Gesetzen.

"Sie haben nicht nur die Wahl zwischen Null und Eins, sondern können gleichzeitig beide oder alle Zustände dazwischen einnehmen", erklärt der Physiker mit größter Begeisterung. Doch solche Computer hätten auch eine Kehrseite, wenn sie in falsche Hände geraten: "Die bekannten Sicherheitssysteme könnte ein solcher Quantencomputer sofort überwinden", sagt Schmidt. Passwörter, für die ein klassischer Computer Milliarden Jahre bräuchte, ermittelt ein Quantencomputer in Sekunden. Noch ist das Zukunftsmusik.

Einer der Bausteine, an denen er forscht, sind sogenannte Supraleiter. "In denen kann Strom nahezu ohne Verlust fließen", sagt Schmidt. Zwar gibt es solche Anlagen schon, doch müssen die mit einem gewaltigen Aufwand gekühlt werden. "Wir forschen an kalten Supraleitern. Unser Ziel ist es, Strom ohne Verlust von A nach B zu schicken." Gelingt dies, könnten viele Energieprobleme gelöst werden.

Ermöglicht hat ihm das Forschen ein auf fünf Jahre ausgelegtes Projekt der TU Dortmund. Grundsätzlich kritisiert er jedoch die Situation für junge Forscher in Deutschland. "Mit 34 sollte man eine feste Stelle statt der üblichen Zeitverträge haben", sagt er. Das führe dazu, dass junge Wissenschaftler auswandern. Etwa nach Großbritannien. Dort gibt es sehr viel eher eine Uni-Festanstellung.

Danach gefragt, wann es den Quantencomputer geben wird, vergleicht Schmidt den aktuellen Forschungsstand mit der Anfangszeit der Computer in den 1950er Jahren, als die ersten Transistoren noch ganze Zimmer ausfüllten. "Noch müssen einige Probleme überwunden werden, bevor die Quantenrechner in 20 bis 30 Jahren so richtig loslegen können", sagt er.

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