13-Jährige erobert die Modewelt

Tavi Gevinson schreibt online so erfolgreich über Mode, dass Vogue-Chefin Anna Wintour sie zur Fashion Week lud.

Chicago. Millionen Frauen auf der ganzen Welt hätten wohl alles gegeben, um mit Tavi Gevinson zu tauschen. Denn die Achtklässlerin mit der viel zu großen Hornbrille und den seltsam grau gefärbten Haaren durfte bei der jüngsten New York Fashion Week nicht nur in der ersten Reihe sitzen, sondern auch noch neben Anna Wintour Platz nehmen. Wintour ist Chefredakteurin des berühmten amerikanischen Modemagazins "Vogue".

Ein Ritterschlag für jeden Modebegeisterten, denn dort darf eigentlich nur sitzen, wer wahnsinnig wichtig ist oder unsagbar viel Geld hat. Tavi Gevinsons Eintrittskarte in den Mode-Olymp war ihr Blog "Rookie Style" ("Anfänger-Stil"). Dort nimmt die Jugendliche seit zwei Jahren die Modewelt unter die Lupe. Sie sagt, was in ist oder was modisch gar nicht geht - und Millionen folgen ihr. Jeden Tag wird ihr Blog 50 000 Mal angeklickt.

Begonnen hat Tavis märchenhafter Aufstieg Mitte vergangenen Jahres mit einem Anruf der "New York Times" bei ihrem Vater. Die Zeitung bat um ein Interview mit der Schülerin, um über ihren Blog zu sprechen. Der High-School-Lehrer vermutete einen Scherz: "Ich wusste natürlich, dass Tavi eine eigene Seite im Internet hat. Aber ich hielt das für ziemlich unbedeutend", sagt er heute.

Die Zeitung war auf Tavi aufmerksam geworden, weil sie auf ihrer Seite auffallend professionell über Mode schreibt. Viele vermuteten, dass die Modeindustrie hinter dem Blog steckt.

Dort zeigt sich die Schülerin auf vielen Fotos auch mit eigenen Modekreationen. Dabei überzeugt sie mit Gespür für witzige Ensembles aus Alt und Neu, absurden Kopfbedeckungen und schrillen Farbkombinationen. Die stammen von Flohmärkten und dem Kleiderschrank ihrer Eltern. Viele Leser ihres Blogs vermuteten zunächst, dass eine 13-Jährige unmöglich eine solche Kreativität haben kann. Damals ärgerte sich Tavi über die Ignoranz, wurde schlechter in der Schule und litt unter Schlafstörungen. Ihren Blog jedoch aufgeben? Das kam nicht in Frage.

Zum Glück: Denn seit dem "New-York-Times"-Interview liebt die Modewelt die Achtklässlerin. Und nach der Fashion Week luden sie Designer wie Marc Jacobs und Yohji Yamamoto zu ihren Schauen ein. Kürzlich wurde sie auch mit Karl Lagerfeld gesehen.

Deshalb die Mode-Fürsten anhimmeln? Für Tavi kommt das nicht in Frage. Sie bleibt kritisch. Eine Kostprobe: "Ich gebe nicht 3000 Dollar für einen Mantel von Comme aus, nur weil er angesagt ist", schrieb sie jüngst in ihrem Blog. Gemeint war das japanische Luxus-Modelabel Comme des Garçons. Der Konzern hatte das auch gelesen und schickte ihr eine Auswahl seiner Kollektion.

Inzwischen strahlt das Mädchen sogar von den Titelseiten bekannter Modemagazine, und mehrere Konzerne wollen sie als Model unter Vertrag nehmen. Bislang sagte sie allen ab.

Doch scheint dieser Ruhm inzwischen genau jene Zeitung zu nerven, die die US-Amerikanerin einst mit dem Interview geadelt hatte. "Es macht mir Angst", schrieb gerade eine Autorin der "New York Times", "dass die neue Generation von Bloggern über einen unglaublichen Sinn für Mode verfügt. Wen beneide ich als Nächstes?", fragte die Journalistin spitz, "Kindergartenkinder?"

Tavi Gevinson reagierte mit einem Augenzwinkern in ihrem Blog: "Hey, ich bin doch nur ein 13-jähriger Trottel, der den ganzen Tag drinnen sitzt und schräge Klamotten und Hüte trägt."

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