Fernsehen Kein "Zimmer (mehr) frei" - Eine ultimative Lobhudelei

Am Sonntag läuft nach 20 Jahren das letzte Mal „Zimmer frei“ im WDR-Fernsehen. Man hat schon Schlechteres gehen lassen als Christine Westermann und Götz Alsmann und ihr inszeniert uninszeniertes WG-Leben.

Am Sonntag ist zum letzten Mal ein Zimmer bei Christine Westermann und Götz Alsmann frei.

Am Sonntag ist zum letzten Mal ein Zimmer bei Christine Westermann und Götz Alsmann frei.

Foto: Henning Kaiser

Düsseldorf. Legendär war zum Beispiel Folge 56, Februar 1998: Der inzwischen verstorbene spätere Außenminister Guido Westerwelle bewarb sich um das imaginäre WG-Zimmer, das in jeder der 730 Folgen zu besetzen war. Damals noch kurz vor Guidomobil-Zeiten, Westerwelle stand noch (und später wieder) für Seriosität. Bis an diesem Abend im WDR-Studio aus dem Politiker ein langhaariger Nerd mit Parka wurde, der er mal war.

Und der sich mit Christine Westermann (heute 67) und Götz Alsmann (heute 59) um das Lagerfeuer versammelte. Zusammen sangen sie Lieder und sprachen Texte, die man so singt und spricht, wenn man am Lagerfeuer sitzt und die Welt noch offen und groß daher kommt. Der Gegensatz zur Westerwelle-Welt ohne Perücke und Parka war gewaltig, und deshalb war es damals wunderbar.

„Ich glaube, die Sendung hat auch irgendwie gezeigt, wer lässig ist und wer nicht lässig ist“, hat dieser Tage TV-Modedesigner Guido Maria Kretschmer gesagt, als er — als einer der 17 prominenten Gäste der letzten „Zimmer frei“-Gala diesen Sonntag (22.15 Uhr/WDR )— meinen durfte, was ihm gefallen hat an „Zimmer frei“. Das 20 Jahre lang sonntagabends im WDR lief und niemals in der ARD, was das allerbeste an dieser Ex-Anarcho-Nummer war, die über die Jahre links und rechts von Formaten überholt wurde, die sehr viel berechtigter niemals ins Hauptprogramm gelangt sind. Im Dritten war man und blieb man richtig, Kult geht kaum vor Abermillionen. Und Guido Westerwelle war in diesem Moment übrigens: auf seine Art ziemlich cool.

Der Gast? 60 Minuten lang im Brennglas, verdichtet, er brauchte Geschichten, Mut, Humor — und konnte am Ende doch sicher sein, nicht vorgeführt zu werden bei all dem Klamauk und Unperfekten um alle herum — auch wenn er seine Darstellung aus den Händen gab. Und: wenn er nicht gerade Cherno Jobatey heißt. Der ZDF-Mann hatte 1999 so wenig Humor mitgebracht, dass er mit Scheu, Abwehr und tumber Ironie 60 Minuten begehen wollte, die später vier Jahre lang im WDR-Giftschrank verschwanden. Längst legendär das Ganze.

Und Alsmann und Westermann waren selten wieder so eng miteinander verbunden wie in jenem stillen Schwur gegen den ZDF-Mann mit Zopf, dessen Karriere seither keine Kurve nach oben nahm. Die Beziehung der beiden so unterschiedlichen Moderatoren ist ein Band, das „Zimmer frei“ 20 Jahre lang zusammengehalten hat. Er, der Bonvivant mit Tolle aus Münster, für den das Wort Rampensau erfunden war. Von dem man sicher sein konnte, dass dieser überdreht herumscharwenzelnde Chansonnier niemals der private Alsmann sein konnte.

Daneben die acht Jahre ältere Westermann, die so wenig Rampensau und so viel Privatheit und journalistisches Grundinteresse, manchmal auch persönliche Schwärmerei wie möglich mit ins Studio trug. Die elf Stufen hinauf im WG-Zimmer wertvolle, leise Momente mit den Gästen schuf und spürbar genoss, ehe Alsmann von unten krakeelte, weil die Sau wieder auf die Rampe wollte und die Show weitergehen musste — ein atmosphärischer Widerspruch, der das Ganze am Laufen hielt, wie das Öl den Motor.

Westermanns Entwicklung von der etwas „eckigen“ (Selbsteinschätzung) Aktuelle Stunde-Nachrichtensprecherin zur einfühlsamen Intellektuellen — in der Zeitspanne vom ersten Gast (Karl Moik) bis zum letzten (Thomas Gottschalk) — ist eine wertvolle Fußnote der „Zimmer frei“-Geschichte. Eine andere ist die Tatsache, dass Westfale Alsmann und die in Köln lebende Westermann sich privat aus dem Weg gehen.. „In zwanzig Jahren sind wir nicht einmal privat essen gegangen“, sagte Alsmann der „Süddeutschen Zeitung“. Und: „Christine hat mal gesagt, während der Staffel sind wir befreundet.“

Sie haben diese Nähe und Distanz bis zum Exzess miteinander verknotet. Haben über Bilderrätsel und alberne Kindergeburtstag-Spiele, die niemals einen anderen Sinn hatten, als den Geduldsfaden des künftigen Mitbewohners zu testen, auch sich selbst zum „Vollhorst“ (wieder Selbsteinschätzung) gemacht. Oder eben auch gerade nicht. Mit Kölsch oder Champagner freilich. Fast immer, auch das bisweilen durchaus spürbar.

Man weiß bei diesen Sendungen, die anders, aber ein beständiges Markenzeichen sind, ja immer auch erst am Ende, was da wirklich geht. Als am Mittwochabend die letzte Show abgedreht war, gab Alsmann, der musikalische Virtuose, sein letztes Lied. „Das war es für immer, meine Damen und Herren“, sang er. „Bei jedem Hut auf dem Kopf, bei jeder Torte im Gesicht, wussten wir: einen schöneren Job beim Fernsehen gibt es nicht.“ Genau das hatte man immer geahnt. Nur grüne Karten.

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