„Gottschalk Live“: Doping für den ARD-Vorabend?

Berlin (dpa) - Gottschalk kommt - endlich... Dieser Stoßseufzer dürfte vielen ARD-Verantwortlichen in diesen Tagen über die Lippen kommen. Denn das Vorabendprogramm des „Ersten“ dümpelt trotz aller Reformversuche vor sich hin.

An diesem Montag startet der Entertainer Thomas Gottschalk seine sehnsüchtig erwartete Vorabendshow „Gottschalk Live“. Gast der ersten Sendung ist der Schauspieler und Regisseur Michael „Bully“ Herbig. In der „Bild am Sonntag“ gestand Gottschalk: „Gerade bemerke ich, dass es möglich ist, sich auf eine Sendung, die 25 Minuten dauert, acht Stunden vorzubereiten. Das schockiert mich ziemlich.“

Von 19.20 bis 19.50 Uhr will der 61-Jährige von nun an montags bis donnerstags über aktuelle Themen reden. Das letzte Mosaiksteinchen in der großen Vorabendreform, die im Herbst 2011 begann - und nach ARD-Wünschen hoffentlich der krönende Abschluss.

Denn Gottschalk zieht immer noch - das hat im zweiten Halbjahr 2011 seine „Wetten, dass..?“-Abschiedstournee bewiesen, die dem ZDF einen lange nicht mehr gesehenen Quotensegen brachte. Und der Wechsel des 61-Jährigen vom ZDF zur ARD war immerhin, hinter der Frage nach seinem „Wetten, dass..?“-Nachfolger, die meist diskutierte TV-Personalie des Jahres. Mit der Entscheidung für den ARD-Vorabend ging „Thommy“ nämlich nicht den einfachen Weg - ein Engagement beim ZDF mit einigen Shows und Galas - sondern begab sich nach eigener Aussage bewusst in die „Todeszone“, wie er sagt: „Die Stunde vor acht gilt ja als Todeszone, in die sich ohnehin keiner traut. Da stehe ich jetzt als Desperado. Einer gegen alle!“ („GQ“, Dezember 2011).

Ein Risiko, gewiss. Aber auch eine Chance. Auf diesem ungewohnten Platz kann der Showmaster es vielleicht allen Kritikern noch einmal zeigen. Allen, die jahrelang geschrieben haben, er könne keine Interviews führen, sei schlecht vorbereitet, habe kein Interesse an Gästen und Themen, kann er jetzt das Gegenteil beweisen. Und das hat er anscheinend vor. Zwar nicht unbedingt kämpferisch, aber selbstsicher und extrem gut gelaunt präsentierte Gottschalk sich und seine Sendung Anfang Dezember einer großen Journalistenschar in Berlin-Mitte. Er kündigte eine „Wohlfühl-Halbe-Stunde vor der "Tagesschau"“ an. „Die Sendung ist nach hinten gezogenes Frühstücksfernsehen und eine vorgezogene Late-Night.“

Mit ungewohnter Offenheit präsentiert sich die Sendung seit Anfang Januar zudem im Netz: Es gibt Fotos aus dem Studio, von Redaktionssitzungen und sogar Chats mit dem Chef selbst - eine Premiere. „@Frank_Elstner war bei Wetten Dass vor mir und beim Twittern auch. Aber ich hoffe ich hole auch da noch auf, das ist my first tweet!“, schrieb Gottschalk am 10. Januar beim Kurzmitteilungsdienst Twitter und alberte einige Tage später mit Harald Schmidt (Twitter-Account: @patfan19801) herum: „Lieber Harald, spiele diese Woche nur vor Testpublikum, aber habe dabei immer noch mehr Zuschauer als Du. Gruß Thomas“.

„Thommy“ macht also ernst mit Gottschalk 2.0, wenn er auch kein Internet-Freak sei, aber: „Seit mein Sohn Tristan Ultraschallbilder vom Babybauch seiner Frau auf Facebook veröffentlicht hat, bin ich nahezu täglich auf Social-Media-Plattformen unterwegs.“ („TV Movie“, Januar 2012).

Ob das jetzt auch genügend Millionen ins Vorabendprogramm lockt, bleibt abzuwarten. Die ARD hofft darauf. „Das Interesse an Thomas Gottschalk ist riesengroß - ich bin optimistisch, dass das gesamte Vorabendprogramm davon profitiert“, sagte ARD-Vorabendkoordinator Frank Beckmann im dpa-Interview.

Nötig wäre es: Der durchschnittliche Marktanteil zwischen 18 und 20 Uhr lag 2011 bei 8,4 Prozent - deutlich unter dem Senderschnitt von 12,4 Prozent. Die Herbstreform mit der Fast-Verdoppelung der täglichen Dosis von „Verbotene Liebe“, der Einführung der regionalen Krimis unter der Dachmarke „Heiter bis tödlich“ und dem neuen Kai-Pflaume-Quiz „Drei bei Kai“ am Freitag hat da insgesamt wenig gebracht. Die Quoten vor und nach der Reform unterscheiden sich praktisch kaum, wie es von der ARD heißt. Zu dieser Zeit sitzen einfach - immer noch - deutlich mehr Zuschauer bei den Privaten.

Dabei ist diese Zeit nicht nur für die Gesamt-Marktanteile wichtig, sondern auch für die Senderkassen. Denn zwischen 18 und 20 Uhr liegt die Hauptwerbezeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Im Jahr 2010 hatte das „Erste“ netto 152,5 Millionen Euro an Einnahmen aus der Fernsehwerbung. Die Resonanz aus dem Werbemarkt auf die neuen Vorabendformate sei positiv, sagte Beckmann. Doch das beste Argument für höhere Werbepreise dürften wohl steigende Marktanteile sein.

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