Per Livestream in der Uni Köln Edward Snowden: Ein Held, der keiner sein will

Der wohl berühmteste Whistleblower der Gegenwart sprach an der Kölner Universität über Courage, Demokratie und Freiheit.

Per Livestream in der Uni Köln: Edward Snowden: Ein Held, der keiner sein will
Foto: Nele Dohmen

Köln. Fast scheint es, als erwarte ein Popstar die fast 2000 Zuhörer in der Aula der Universität zu Köln. Vor dem Gebäude herrscht reges Treiben, zwei junge Frauen grinsen breit zum Selfie vor dem Veranstaltungsplakat. Darauf zu sehen: Edward Snowden. Unter dem Titel „Courage“ hielt er am Freitagabend per Livestream einen Vortrag. Physisch war er natürlich nicht anwesend.

Per Livestream in der Uni Köln: Edward Snowden: Ein Held, der keiner sein will
Foto: Nele Dohmen

Und doch sind die Sicherheitsstandards beinahe so hoch, als wäre er es. Mehrfach muss das Ticket vorgezeigt, Taschen und Jacken müssen allesamt an der Garderobe abgegeben werden.

Per Livestream in der Uni Köln: Edward Snowden: Ein Held, der keiner sein will
Foto: Nele Dohmen

In der Aula ist es der großen Besucherzahl zum Trotz verhältnismäßig still, fast angespannt ist die Stimmung. Und nach ein paar Grußworten des Veranstalters, Köln Alumni, passiert es endlich: Es piept, es knackt, die Leitung nach Russland steht, Edward Snowdens Gesicht taucht auf der gigantischen Leinwand über der Bühne auf. Der Jubel, der ihm entgegenschwallt, ist frenetisch. Bescheiden winkt er ab, dann beginnt er seinen Vortrag.

Die Professionalität, die der Whistleblower dabei an den Tag legt, ist beeindruckend nach der fast schüchternen Begrüßung. Edward Snowden weiß, wie man einen Vortrag hält.

Der Mann, der 2013 durch seine Enthüllungen über die Spionagetätigkeiten der NSA die digitale Welt auf den Kopf stellte, hat eine Botschaft an seine Zuhörer. Besondere Zeiten seien dies, er spricht von der Ambivalenz von der Bedrohung durch Terrorismus einerseits und dem Beschneiden von Zivilrechten andererseits. Er spricht in eindringlicher Weise, mitreißend, setzt Akzente mit gut gewählten Pausen. „Nur weil etwas Gesetz ist oder nicht, muss das nicht richtig oder falsch sein.“ Es brauche die öffentliche Debatte über Strittiges. Und er lobt Deutschland für den Beschluss der Ehe für alle.

Zwischendurch rückt er seine charakteristische Brille zurecht. Im Saal ist es auffällig ruhig. Vielleicht auch deshalb, weil sein akzentreiches Amerikanisch über die Lautsprecher nicht ganz mühelos zu verstehen ist.

Die Quintessenz seines Vortrags, die er immer wieder wiederholt: „Es gibt keine Helden auf dieser Welt, ich bin auch keiner. Es gibt nur richtige Entscheidungen. Auch wenn das im Äußersten bedeutet, dass man das Gesetz brechen muss.“ So wie er es getan hat, als er Journalisten geheime Dokumente zukommen ließ. Aber er spricht auch über diese Entscheidung: „Ich saß da mit Kollegen und dachte: Das ist nicht richtig, was wir hier machen.“ Massenhaftes, verdachtsloses Aushorchen von Privatpersonen habe Skrupel in ihm aufkommen lassen.

Sein Appell an die mehrheitlich jungen Zuhörer: Den Mut aufbringen, für das Richtige einzustehen. Über dieses Richtige, das den Rechtsbruch legitimiert, sollte in der anschließenden Expertenrunde noch intensiv diskutiert werden.

Wieder betont Snowden, dass dies schwierige Zeiten seien, und verweist dabei auf den Umgang des US-Präsidenten mit der freien Presse, die politischen Entwicklungen in Ungarn und Großbritannien und kritisiert den Zustand der Meinungsfreiheit in dem Land, in dem er gerade im Exil weilt, in Russland. Umso wichtiger sei es, sich für das Richtige, eben diesen später viel diskutierten Begriff, stark zu machen.

Zum Beispiel folgendermaßen: Neben handfesten Tipps für den Schutz der Privatsphäre im Netz (einem Passwort-Manager, kein Whatsapp sondern den Messenger Signal, das Unterstützen von Organisationen, die sich für die Einhaltung der zivilen Rechte einsetzen) malt er das Bild von einem Stein auf dem anderen. Mit kleinen Beiträgen, nur einem Stein, könne Großes entstehen, wenn nur genügend Menschen mitmachten.

Als Snowden sich bedankt und verabschiedet, weicht die Stille mit einem Schlag tosendem Applaus. „Er war so authentisch und charismatisch. Ich überlege, mir diesen Messenger zu installieren“, sagt die 21-jährige Studentin Catalina Gomez später. Konstantin Klocke, ebenfalls 21 Jahre alt und Student, bewundert die Entwicklung, die Snowden durchgemacht haben muss. „Vom IT-ler zu einem, der so reden kann und so mitreißen kann. Zu was für einer wichtigen Figur er geworden ist, das ist besonders.“

Zwei Tage lang wird Snowden brauchen, um den Livemitschnitt freizugeben, sagt Pressesprecher Patrick Honecker. Er sei eben ein perfektionistischer Mensch. Danach wird er auf der Uni-Webseite veröffentlicht.

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