Der Feind des TV-Entertainers ist die Fernbedienung

Heidelberg (dpa) - „Hier steht ein Entertainer“, begrüßt TV-Moderator Thomas Gottschalk sein Publikum am Mittwochabend in der Heidelberger Universität.

Unter die rund 400 Studierenden und Professoren der Hochschule für jüdische Studien haben sich auch viele bekennende Fans des 62-Jährigen gemischt. Das beglückt den zuletzt in die Kritik geratenen Showmaster sichtlich. Eines haben die freiwilligen Zuhörer vom bieder gekleideten Hochschullehrer bis zur Sekretärin im Leopardenkostüm gemeinsam: In den folgenden 90 Minuten können sie Gottschalk nicht wegzappen.

Der Neu-Dozent spricht frei über das Thema „Lassen sich Quote und Anspruch in der heutigen Fernsehunterhaltung noch auf einen Nenner bringen?“. Dabei schwelgt er in Lebenserinnerungen und TV-Anekdoten und schafft es immer wieder, das vorgegebene Thema der „Heidelberger Hochschulreden“ zu streifen. Professor wird Thomas Gottschalk, der alle Anwesenden penetrant duzt, nicht mehr. Dafür ist er zu unvorbereitet und unstrukturiert.

Aber er hat eine Fähigkeit und Gabe, die nicht jeder Akteur des akademischen Betriebs besitzt: Gottschalk kann immer noch unterhalten, ohne wirklich etwas Substanzielles zu sagen und ist dabei auch noch sympathisch. In den achtziger Jahren konnte man mit diesem für ihn teilweise sinnstiftenden Unterhaltungskonzept noch 20 Millionen Menschen bei „Wetten, dass...?“ vor der Mattscheibe versammeln.

Die Menschen mögen ihn zwar immer noch, schalteten die gealterte Plaudertasche in der ARD aber in den vergangenen Monaten nur noch bedingt ein. „Im Vorabendprogramm habe ich richtig die Fresse vollbekommen, jetzt mache ich den Taliban“, reflektiert der Moderator seinen Wechsel zum RTL-„Supertalent“, dessen größter Gegner die Fernbedienung ist. Dort kann er seinem beruflichen Lebensziel weiter frönen, „möglichst viele Zuhörer und Zuschauer“ zu erreichen.

Nach rund 30 Minuten „Selbsttherapie-Talk“ durfte dann das Publikum Fragen stellen. Durch die Stichwortgeber blüht Gottschalk plötzlich auf und gibt offen zu, dass es in der Gegenwart fast unmöglich sei, mit einem qualitativ und intellektuell hochwertigen TV-Programm ein Millionen-Publikum zu erreichen. Ein Hauptgrund dafür sei die Verringerung der Aufmerksamkeitsfähigkeit - besonders unter jüngeren Zuschauern. Als Juror der RTL-Show „Das Supertalent“ versuche er nun aber zumindest, nachdenkliche Inhalte an „Menschen weiterzugeben, die sonst niemand erreicht“. Unter seiner Mitwirkung werde in der Sendung „niemand mehr vorgeführt“, sagte der Entertainer.

Als „größten Irrtum in der Fernsehgeschichte“ bezeichnete er unter großem Beifall in der Folge seinen volkstümlichen Moderatoren-Kollegen Florian Silbereisen. Der 31-jährige „Carolin-Reiber-Klon“ und seine Sendungen sind für Gottschalk grenzwertig und fragwürdig zugleich. Ironisch erwähnte der Moderator auch immer wieder seinen ZDF-Nachfolger Markus Lanz. Zu einem Fan sagte er nach der Veranstaltung aber wohlwollend: „Wenn er mit über 13 Millionen Zuschauern anfängt, wäre es völliger Unsinn gewesen, die Sendung abzusetzen. Natürlich wünsche ich dem Format viel Erfolg.“

Entspannen kann sich Gottschalk nach eigener Aussage bei den Sendungen von Günther Jauch (56). „Er erfüllt die Anforderungen eines deutschen Entertainers, weiß auf alle seine Fragen schon die Antwort und ist immer korrekt gekleidet“, sagte Gottschalk. Die Einladung von Jörg Kachelmann in Jauchs ARD-Sendung am vergangenen Sonntag hätte sich Gottschalk trotz des „saftigen Themas“ und möglicher Spitzenquoten „nicht getraut“.

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