Das Todesjahr: Warum sterben 2016 so viele Promis?

Am Montag Bud Spencer, davor Götz George, zu Monatsbeginn Muhammad Ali. So geht es Monat für Monat. Und der Eindruck trügt nicht: Noch nie starben so viele Prominente wie in diesem Jahr. Dafür gibt es eine Erklärung, die wenig erbaulich ist.

Am 3. Juni starb Muhammed Ali, nur einer von vielen Prominenten in 2016.

Am 3. Juni starb Muhammed Ali, nur einer von vielen Prominenten in 2016.

Foto: UPI

London. Nick Serpell ist bei der britischen BBC für die Nachrufe Prominenter zuständig. Das war bis vor wenigen Jahren eine Tätigkeit, die der Sender nicht sonderlich häufig in Anspruch nehmen musste. Die Zahl der wirklich großen und bedeutenden Toter war überschaubar. Zumindest bis 2014. Und dann wurde es gefühlt schlimmer. Ende März zählte Serpell schließlich nach — und erschreckte sich: 2012 benötigte die BBC ganze fünf Nachrufe. 2014 waren es bereits elf. Und 2016 allein bis zum 31. März bereits 24.

Der Eindruck trügt nicht: Noch nie sind so viele Prominente in einem Jahr gestorben wie 2016, und das Jahr ist gerade einmal zur Hälfte herum. Der „Daily Telegraph“ führt seit Jahren eine Porträt-Liste mit Fotos von prominenten Toten. 2014 zeigte sie Mitte April 38 Bilder. In diesem Jahr waren es zur gleichen Zeit bereits 75. In Deutschland, wo der „Spiegel“ die wöchentliche Verlustliste führt, hat zwar deren Umfang nicht zugenommen. Aber die B-Prominenz findet angesichts der Fülle von Namen seltener hinein.

Im Januar starb David Bowie, im Februar Roger Willemsen, im März starben Guido Westerwelle und Hans-Dietrich Genscher, im April Prince, im Mai Rupert Neudeck, Anfang Juni Muhammad Ali, nun Götz George und Bud Spencer — und das sind nur die größten Namen. Die Erklärung für die Häufung an Todes-Prominenz ist so ernüchternd wie wenig tröstlich: Erst ab den 60er Jahren gab es in Deutschland und Europa eine Pop- und Medien-Kultur, die mehr Prominente in Kultur, Politik und Gesellschaft hervorbrachte und bekannt machte als jemals zuvor.

Bud Spencer ist ein gutes Beispiel für eine internationale Karriere, die ohne das Fernsehen nicht möglich gewesen wäre: Den italienischen Wasserball-Nationalspieler und Olympia-Teilnehmer Carlo Pedersoli kannte in Deutschland niemand. Erst als er sich „Bud Spencer“ nannte und als Darsteller von Hau-drauf-Western durch die deutschen Samstagabend-Shows vom „Laufenden Band“ bis zu „Wetten, dass..?“ tingelte, sprang auch in Deutschland das Publikum an. Mit der Zunahme von TV- und Radioangeboten internationalisierte sich vor allem der Musikmarkt. Was heute fast vergessen ist: Bis in die 50er Jahre stammten in Deutschland Schlager — wie bereits in der deutschen Populär-Kultur der 20er und 30er Jahre — überwiegend aus Revue- und Kino-Produktionen. Erst ab den 60er Jahren war im Massenmarkt überwiegend populäre Musik zu hören, die ausschließlich für Schallplatten, Radio und Konzerte produziert wurde. Hinzu damals englischsprachige Originale, vor allem das Fernsehen sorgte für massive Verbreitung.

Dem steigenden Publikums-Bedarf folgte die Zunahme von Produktionen — und mit ihr auch die Zunahme von Prominenz, die nun „bekannt aus Funk und Fernsehen“ war. Mit der Einführung des Privatfernsehens in den 80er Jahren und der Verbreitung des Internets ab den 90er Jahren nahm die Zahl aus den Medien bekannter Personen weiter zu. So erklärt sich die Häufung prominenter Toter vor allem aus der demographischen Statistik. Wer in den 60er Jahren als junger Mensch eine öffentliche Karriere ganz gleich in welchem Sektor begann, ist heute in einem Alter, in dem der Tod allein aufgrund der durchschnittlichen Lebenserwartung eine beständig steigende Wahrscheinlichkeit hat. Es sterben deshalb mehr Prominente, weil es schlicht mehr Prominente im Sterbealter gibt. Mit typisch britischem Humor führt das Portal „deathlist.net“ seit Jahren Listen von Prominenten, deren Tod eine Jury im laufenden Jahr für wahrscheinlich hält. Für 2016 auf den vorderen Plätzen: Die früheren Schauspieler Zsa Zsa Gabor (99), Olivia De Havilland (99) und Kirk Douglas (99) sowie der Prediger Billy Graham (97).

Die statistischen Aussichten des Promi-Sterbens sind für die Generation der „Baby-Boomer“ wenig erbaulich, zumal sie immer häufiger feststellen werden, dass der Generation ihrer Kinder die verblichenen Prominenten nicht einmal dem Namen nach bekannt sind. Da sind die Aussichten auf das eigene Leben schon etwas tröstlicher. Noch nie war die Lebenserwartung so hoch, und zwar sowohl für Neugeborene wie auch für ältere Menschen: Laut der „Sterbetafel“ des Statistischen Bundesamts haben 65-jährige Männer (Daten 2012/14) durchschnittlich noch eine Lebenserwartung von 17 Jahren und 8 Monaten, bei 65-jährigen Frauen sind es statistisch gesehen noch fast 21 Jahre.

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