Wie das Japan-Fieber die Kunst erfasste

Essen (dpa) - „Das ist keine Mode mehr, das ist Leidenschaft, das ist Verrücktheit“, schrieb der Kunstkritiker Ernest Chesneau 1878. Ganz Paris war im Japan-Fieber.

Wie das Japan-Fieber die Kunst erfasste
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Seit sich das fernöstliche Inselreich nach jahrhundertelanger Abschottung dem Westen geöffnet hatte, überschwemmten japanische Alltags- und Kunstgegenstände Europa. Schiffsladungen von Keramik, Kimonos und Kunst kamen in Paris an. Und wer in der bürgerlichen Gesellschaft mithalten wollte, musste den besten Stücken nachjagen.

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Der Japan-Hype erfasste auch die Kunst. Maler wie Monet, Renoir oder van Gogh waren fasziniert von den Farbholzschnitten eines Hokusai oder Hiroshige, die flächig wirkten, unnatürliche Farben hatten und fremdartige diagonale Bildaufteilungen. Das Motiv der großen Wellen Hokusais oder seine Serien vom Berg Fuji sind heute weltweit bekannte Motive, auch wenn man den Namen Hokusai noch nie gehört hat.

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Das Museum Folkwang hat das Japan-Fieber in der französischen Kunst seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis in das frühe 20. Jahrhundert akribisch aufgearbeitet. Wie so oft ist auch die Sonderschau „Monet, Gauguin, van Gogh - Inspiration Japan“ (27. September bis 18. Januar 2015) mit rund 400 Kunstwerken eine Ausstellung der Superlative. Erstmals seit rund 25 Jahren werde das Phänomen des „japonisme“ wieder in einer so umfangreichen Schau ausgebreitet, heißt es.

Eine heimliche Träne dürfte das Düsseldorfer Museum Kunstpalast vergießen, das eine solche Japan-Schau 2011 schon geplant hatte, aber mangels Sponsor absagen musste. Inzwischen hat sich der Sponsor, das von der Energiewende gebeutelte Energieunternehmen Eon, finanziell wieder etwas berappelt und dem Museum Folkwang, mit dem es seit Jahren ebenfalls kooperiert, den Zuschlag gegeben.

Dass zum Beispiel auch Expressionisten wie August Macke und Franz Marc von Japan geprägt waren, wird in der Essener Schau außen vor gelassen. Dafür aber wartet das Folkwang mit allein 65 Gemälden der wichtigsten Maler des französischen Impressionismus und Postimpressionismus wie Monet, Degas, Cézanne, Renoir, Gauguin, van Gogh, Bonnard und Matisse auf. Die Bilder treten in Dialog mit fast 200 Holzschnitten japanischer Meister sowie mit Kunsthandwerk, No-Masken und einem prächtigen No-Schauspielergewand aus der Sammlung des einstigen Museumsgründers Karl Ernst Osthaus.

Während die Künstler zunächst die japanischen Motive wie Fächer, Geishas, Blumen einfach kopierten, verinnerlichten sie mit der Zeit immer stärker die Kompositions- und Stilprinzipien der asiatischen Farbholzschneider. Van Gogh etwa malte 1887 das farbprächtige Bild einer japanischen Kurtisane. Ein Jahr später entstand das berühmte Bild des „Sämanns bei Sonnenuntergang“, das mit der kugelrunden Sonne und dem kahlen Baumstamm im Vordergrund die japanischen Stilmittel deutlich übernimmt.

Überhaupt war van Gogh in die Provence gezogen, weil er dort das Licht Japans zu finden meinte. „Ich brauche keine Japan-Drucke, denn ich sage mir immer, dass ich hier in Japan bin“, schrieb er. Das wahre Licht Japans hatte van Gogh allerdings nie gesehen. Denn wie die meisten seiner Künstlerkollegen, war er zwar vom Japan-Fieber befallen und sammelte Holzschnitte, kam aber nicht auf die Idee, dorthin zu reisen.

Einer der wenigen, der in den Fernen Osten aufbrach und Bilder japanischer Straßenszenen mitbrachte, war der Maler Louis Dumoulin. Er wusste vielleicht auch, dass die in Paris teuer gehandelten Farbholzschnitte in Japan gar nicht so geschätzt waren.

Einen „Traum vom fernsten Osten“, so das Zitat eines Kunstkritikers, schuf sich Claude Monet mit seinem Garten in Giverny mit Seerosenteich und Brücke. Fernöstliche Blumen wie Azaleen und Chrysanthemenbeete verewigte er ebenso wie das japanische Brückenmotiv. Wie die japanischen Meister malte er ganze Bildserien, einen Seerosenteich nach dem anderen.

Ganz am Ende der Ausstellung, versteckt in einem kleinen Kabinett, geht es dann um die in Japan beliebten erotischen Bildmotive mit offen zur Schau gestellten Geschlechtsteilen. Diese Shunga-Bilder faszinierten Picasso so sehr, dass er noch in seinem Spätwerk Ende der 60er Jahre die Motive schamlos in einer Grafikserie übernahm.

Einen geweiteten Blick etwa auf andere Länder oder den Einfluss Japans auf Musik und Literatur vermisst man in der dennoch detailreichen Schau. Die Ausstellung ist trotz überraschender Einsichten eben auch eine Augenweide.

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