Komödien-Juwel Oscar-Chancen für „Toni Erdmann“

Los Angeles (dpa) - „Toni Erdmann“ kann ganz entspannt ins Oscar-Rennen gehen. „Alle hier lieben diesen Film“, beteuert der amerikanische Film-Produzent Mark Johnson (71). Er leitet bei der Oscar-Akademie das Gremium für die Vergabe des Auslands-Oscars (FLFA/Foreign Language Film Award).

Komödien-Juwel: Oscar-Chancen für „Toni Erdmann“
Foto: dpa

Johnson, der 1989 den Oscar als Produzent von „Rain Man“ gewann, hat in den vergangenen Monaten zahlreiche Filme gesehen, die aus 85 Ländern als Oscar-Bewerber für den besten nicht-englischsprachigen Film 2017 eingeschickt wurden.

Diese Zahl am Ende auf fünf Kandidaten zu reduzieren, ist ein langwieriges Unterfangen. Schon im Oktober beginnt die Hochsaison für Johnson und einige hundert Akademie-Mitglieder, alle Filmeinsendungen - von Albanien bis Vietnam - zu sehen und eine Vorauswahl zu treffen.

Die Vater-Tochter-Komödie „Toni Erdmann“ von der deutschen Regisseurin Maren Ade schaffte es Mitte Dezember mit acht weiteren Kandidaten in einer Vorauswahl auf die traditionelle „Shortlist“, fünf davon gehen später in die Endrunde.

„'Erdmann' ist so anders als die bisherigen deutschen Filme, gewöhnlich sind es politische Themen, wie 'Das Leben der Anderen' oder Filme über den Nationalsozialismus“, meint Johnson. „Ich bin so froh, dass Länder jetzt auch ungewöhnliche Filme einschicken, früher gingen sie bei der Auswahl oft auf Nummer sicher.“ Der Geschmack der Akademie-Mitglieder habe sich geändert, man sei jetzt viel offener für Ausgefallenes, sagt Johnson.

Ende Februar wird der Auslands-Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film zum 60. Mal vergeben. Vor 1957 gab es gelegentlich eine Ehren-Trophäe für einen ausländischen Film, aber keine Wettbewerbssparte. Das erste Gewinner-Land vor 60 Jahren war Italien mit Federico Fellinis Melodrama „La Strada — Das Lied der Straße“. Volker Schlöndorff holte 1980 mit „Die Blechtrommel“ den Oscar erstmals nach Deutschland. In seiner Dankesrede erinnerte der Regisseur an Filmschaffende wie Fritz Lang und Billy Wilder, die in den 1930er Jahren in Hollywood eine neue Heimat fanden.

Der Preis habe für viele Länder eine große - auch politische - Bedeutung, meint Johnson. So hätten etwa die Auszeichnungen für „Tsotsi“ (Südafrika, 2006) und für „In ihren Augen“ (Argentinien, 2010) die jeweilige Filmwirtschaft in diesen Ländern stark angekurbelt. Auf der Trophäe war über Jahrzehnte hinweg zunächst nur der Filmtitel und das Land, nicht aber der Name des Regisseurs eingraviert. „Florian war sehr verärgert, dass sein Name nicht auf dem Oscar stand“, erzählt Johnson über den deutschen Oscar-Gewinner Florian Henckel von Donnersmarck, der 2007 mit „Das Leben der Anderen“ Gold holte.

Maren Ade muss sich keine Sorgen machen. Sollte sie tatsächlich gewinnen, würde ihre Oscar-Statue auch ihren Namen tragen. Die Akademie hat die Regeln inzwischen geändert.

Am 24. Januar werden die Oscar-Nominierungen verkündet. Bis dahin muss die Liste der neun Auslands-Kandidaten auf fünf verkleinert werden. Das geschieht an einem Wochenende Mitte Januar, wenn vierzig Akademie-Mitglieder gleichzeitig in Los Angeles, New York und London alle Filme sehen und ihre Wahl treffen.

„Das ist der totale Spaß“, sagt Johnson über den Film-Marathon, für den er jedes Jahr viele Stars begeistern kann. „Meryl Streep hat schon zweimal mitgemacht, auch Ryan Gosling, die Regisseure Michael Mann und Stephen Frears und Florian (Henckel von Donnersmarck) waren schon einmal dabei“, zählt der Produzent auf. Wer in diesem Jahr abstimmt, ist noch Geheimsache.

Neben „Toni Erdmann“ sind unter anderem die Filme „The Salesman“ (Iran), „Ein Mann namens Ove“ (Schweden), „Einfach das Ende der Welt“ (Kanada), „Unter dem Sand - Das Versprechen der Freiheit“ (Dänemark) und der Schweizer Animationsfilm „Mein Leben als Zucchini“ im Rennen.

Dagegen schafften es der französische Film „Elle“ und Spaniens Beitrag „Julieta“ überraschenderweise nicht in die Vorauswahl. In den vergangenen Jahren handelte sich die Film-Akademie wiederholt Kritik ein, etwa als Festival-Favoriten wie „4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“ aus Rumänien und „Stellet Licht“ aus Mexiko nicht für den Oscar nominiert wurden.

Johnson räumt ein, dass hin und wieder Filme übersehen werden, er verweist aber auch auf „so viele wunderbare Überraschungen“, wenn plötzlich „obskure“ Beiträge aus Ländern, die nicht als Filmnationen bekannt sind, ins Rampenlicht rücken.

Über die Kandidaten in der Endrunde können alle 7000 Mitglieder der Oscar-Akademie abstimmen, solange sie alle fünf Filme gesehen haben. „Das ist Ehrensache“, sagt Johnson, nachzuprüfen ist es allerdings nicht.

„Toni Erdmann“ sorgt jetzt schon in Hollywood für Wirbel. Der Film ist für einen Golden Globe nominiert, US-Kritiker loben ihn als „die lustigste deutsche Komödie“ mit „unglaublich mutigen“ Darbietungen der Hauptdarsteller. Falls Toni auch noch die letzte Nominierungs-Hürde schafft, dann sollte Maren Ade für die Oscar-Gala am 26. Februar eine Dankesrede parat haben.

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