Marcel Reich-Ranicki hielt die „Rede des Jahres“

Tübingen (dpa) - Für seine Schilderungen aus dem Warschauer Ghetto hat Marcel Reich-Ranicki die Auszeichnung „Rede des Jahres 2012“ erhalten.

Die Rhetoriker der Universität Tübingen loben die Ansprache, mit welcher der Literaturkritiker am 27. Januar vor dem Bundestag an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert hat, vor allem für ihre Eindringlichkeit. „Reich-Ranicki verweigert sich der konventionellen Gedenkrhetorik und verzichtet auf Appelle, Mahnungen oder Forderungen“, heißt es in der Mitteilung der Universität vom Dienstag. Stattdessen schildert der heute 92-jährige Überlebende des Warschauer Ghettos eine historisch bedeutsame Schlüsselszene aus eigenem Erleben. „Die detailgetreue, von subjektiven Wahrnehmungen und atmosphärischen Eindrücken durchzogene Erinnerung führt den Zuhörern die Grausamkeit der Judenvernichtung direkt vor Augen.“

Reich-Ranickis Schilderung sei kunstvoll und ergreifend, aber an keiner Stelle pathetisch. Die teils mit brüchiger Stimme vorgetragene Rede sei ein kraftvoller und authentischer Beitrag zum Gedenken an den Holocaust in Deutschland. „Dies ist gerade in einer Zeit von eminenter Bedeutung, in der es nur noch wenige Überlebende des Völkermords an den Juden gibt und in der unser Land gleichzeitig unter dem Eindruck rechtsextremen Terrors steht.“

Mit der undotierten Auszeichnung „Rede des Jahres“ würdigt das Seminar jedes Jahr eine Rede, die die politische, soziale oder kulturelle Diskussion entscheidend beeinflusst hat. Zu den früheren Preisträgern gehören die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, Papst Benedikt XVI. und SPD-Chef Sigmar Gabriel.

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