Große Ausstellung feiert Entstehung der Dada-Bewegung

Remagen (dpa) - Eine ziemlich konventionelle Tegernseer Landschaft in Öl von August Macke - grüne Wiesen, Berge, See. Das kann unmöglich Dada sein.

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Ist es auch nicht, aber trotzdem wurde das Bild vor 100 Jahren im berüchtigten Cabaret Voltaire in Zürich aufgehängt, wo eine Gruppe wild gewordener Künstler um Hans Arp, Hugo Ball, Tristan Tzara und Emmy Hennings die revolutionäre Kunstbewegung lärmend aus der Taufe hob.

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Der in der Kunstszene bestens vernetzte Arp hatte das Macke-Bild mitgebracht, dazu einige kubistische Picasso-Zeichnungen und die ein oder andere eigene Collage - aus alltäglichen Papierschnipseln zusammengeklebte Kunst. Damit schmückte Arp die Wände der Kneipe im Rotlicht-Bezirk, wo der kalkulierte Irrsinn eine Bühne bekam.

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Es erscheint auf den ersten Blick widersinnig: Dada griff mit abstrusen Lautgedichten, kubistischen Kostümen aus Pappmaché und Maskentänzen eine bürgerliche Gesellschaft an, die den Ersten Weltkrieg mit seinen Blutgemetzeln hervorgebracht hatte. Gleichzeitig aber spielte Dada auf der bürgerlichen Klaviatur.

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Wie das ging, zeigt die große Jubiläums-Ausstellung „Genese Dada“ (14. Februar bis 10. Juli) im Arp Museum Bahnhof Rolandseck in Remagen (Rheinland-Pfalz). Der Ort bei Bonn wurde nicht zufällig gewählt: Das Museum nahe Bonn beherbergt mehr als 400 Werke des Künstlerpaares Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp.

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Die Ausstellung begibt sich auf Spurensuche in die Anfänge der Bewegung, die 1916 in Zürich zwar nur kurz überlebte, aber in viele Länder ausstrahlte und bis heute Kunst und Performance von Jonathan Meese bis zu den russischen Punk-Aktivistinnen Pussy Riot inspiriert.

Akribisch arbeiten die Kuratoren Adrian Notz, Direktor des heutigen Cabaret Voltaire, und Astrid von Asten den geistigen Nährboden und die Widersprüchlichkeit von Dada auf. Allein die zwei legendären Dada-Geburtsstätten - das anrüchige Cabaret Voltaire und die bürgerliche „Galerie Dada“ im Haus des Schokoladen-Millionärs Sprüngli - demonstrieren die inneren Gegensätze. „Dada ist sowohl als auch, nicht links, nicht rechts“, sagt Notz.

In zwei Kuben werden die beiden Dada-Zentren nachempfunden. Dafür wurden einige der Bilder, die damals in der Galerie Dada ausgestellt wurden, wieder zusammengeführt. Dazu gehören eine expressionistische Tier-Landschaft von Heinrich Campendonk, eine feine Tusche-Zeichnung von Paul Klee sowie als Highlight ein surreales Werk von Giorgio de Chirico, das die Ausstellungsmacher eigens aus dem New Yorker MoMa abholten.

Die Galerie Dada war zwar ein gesellschaftlicher „Place to be“ in Zürich, aber wirtschaftlich ein Fiasko. „Sie haben nicht wirklich etwas verkauft“, sagt Notz. Er hat zu verschiedenen Themenkomplexen weit verzweigte Diagramme und Zeitleisten erstellt, die Dada in seine Einzelteile zerlegen. Ob Dada dadurch besser verständlich wird, darüber kann man durchaus streiten. Aber es ist schon bemerkenswert, dass Texte von Platon über den mittelalterlichen Meister Eckhart und Franz von Assisi bis Voltaire auf den Soiréen in der Galerie Dada gelesen wurden.

Bis heute seien Künstler von Dada inspiriert, sagt Notz. Der US-Performancekünstler Paul McCarthy sei ein großer Hugo Ball-Fan, Thomas Hirschhorn trage Dada-Bildchen in seiner Brieftasche. Im Schweizer Fernsehen würden Dada und Jesus demnächst sogar im „Wort zum Sonntag“ zum Thema.

„Dada ist eine Haltung, die weiterlebt“, sagt Notz. Oliver Kornhoff, Leiter des Arp Museums, sieht politische und gesellschaftliche Parallelen zwischen 1916 und 2016: die Kriege weltweit, Millionen Menschen auf der Flucht, eine komplexe Welt, die den Menschen Angst mache.

Hohe Kunst hat Dada selbst nicht hervorgebracht, allenfalls das Mittel der Collage oder das textile Gestalten. Revolutionärer seien vielmehr die Dada-Soireen gewesen, die Simultangedichte, die Tänze, sagt Kornhoff. Das aber macht es auch so schwierig, Dada für eine Ausstellung aufzubereiten. „Wir musealisieren das Nicht-Musealisierbare“, sagt Kornhoff. Und dieser Widerspruch ist dann auch wieder irgendwie Dada.

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