Das große Unbehagen vor dem Königinnentag

Berlin/Amsterdam (dpa) - Es dürfte ein seltsamer Königinnentag für die Niederländer werden. Oberflächlich betrachtet wird an diesem Montag zwar alles sein wie immer am 30. April. Die Königin wird lächeln, die Königin wird winken.

Aber man wird sich fragen, was wirklich in ihr vorgeht.

Alle wissen: Ihr Sohn Friso liegt in London im Koma. Kann man da feiern?

Die Zeitung „De Telegraaf“ berichtete am Samstag, die 74-jährige Beatrix fahre fast jedes Wochenende zu ihrem 43-jährigen Sohn, der nach einem schweren Skiunfall weitreichende Hirnschäden erlitten hat. Seine Ärzte bezweifen, dass er jemals wieder zu Bewusstsein kommt.

Der „Koninginnedag“ ist so etwas wie ein Nationalfeiertag, aber ein ganz und gar niederländischer. Es gibt weder Paraden noch Reden. Stattdessen gilt: Sei ein guter Patriot - amüsiere dich! Man hat Spaß bei Straßenfesten, Kirmes, Flohmärkten und Popkonzerten. Ein Großteil der Untertanen ist in Orange ausstaffiert, und am Ende sind die Straßen übersät mit Heineken-Dosen. Es lebe die Königin, hicks!

Beatrix mischt sich jedes Jahr in einem anderen Ort unter das Volk - diesmal kommt sie nach Rhenen und Veenendaal bei Utrecht. Ein Blick auf die Website zu den Feierlichkeiten zeigt, dass es auch diesmal ein fröhlicher Tag werden soll. Eine Oranje-Vereinigung will der königlichen Familie sogar mit einem Toilettenbecken-Werfen imponieren.

Bereits seit 2009 liegt jedoch ein Schatten auf dem Königinnentag. Damals, an einem besonders strahlenden 30. April, feierte die Königin in Apeldoorn. Während des traditionellen Festumzugs raste ein Attentäter mit Vollgas auf den offenen Festbus der Königsfamilie zu. Zwar verfehlte er sein Ziel, doch sieben Menschen starben.

Das Sicherheitsaufgebot am Königinnentag wurde danach massiv verstärkt - die Feiern aber gingen weiter. Eine Monarchie, in der das gekrönte Haupt generell abgeschirmt würde, hätte kaum eine Zukunft - erst recht nicht im „lockeren“ Holland.

Auch nach dem schweren Skiunfall ihres zweiten Sohnes Friso handelt die Königin nach der Devise „same procedure as every year“. Die Staatsräson lässt sie unerschütterlich an ihren Pflichten festhalten. Dazu kommt ein calvinistisches Arbeitsethos. So besuchte sie vergangenen Mittwoch Sachsen-Anhalt, um in Oranienbaum eine Ausstellung zu eröffnen. Freundlich lächelnd winkte sie den Wartenden zu - äußerlich ein Bild wie immer.

Eine Königin muss wohl so sein - sie führt ein Leben hinter einer Maske. Wobei das Hofprotokoll auch ein Schutzpanzer sein kann. Es bewahrt sie vor neugierigen Fragen, die jedem in ihrer Situation ein Greul wären. Im vergangenen Monat sagte sie eine ihrer sehr seltenen Pressekonferenzen nach einem Besuch in Luxemburg ab. Eine Sprecherin des Königshofs erklärte, Beatrix sei klar gewesen, „dass die Journalisten sie nicht zu dem Staatsbesuch selbst befragen würden, sondern wahrscheinlich zum Zustand von Prinz Friso“.

Mit eiserner Disziplin hat Beatrix in ihrem Leben schon viele Krisen durchgestanden. Als sie 1980 in der Nieuwe Kerk in Amsterdam in ihr Amt eingeführt wurde, war in der Kirche der Lärm der Straßenschlachten zwischen Polizisten und Autonomen zu hören. Aber die junge Königin stand da wie eine Eins. Als später der Platz neben ihrem Thron frei blieb, weil ihr Mann Prinz Claus an Depressionen erkrankt war, las sie gleichwohl mit fester Stimme das Regierungsprogramm für das kommende Jahr vor.

Und doch fragen sich in diesen Tagen viele Niederländer: Wie weit sollte die Selbstverleugnung gehen? „Je fröhlicher Beatrix winkt, desto mehr Fragen kommen auf“, meint Radio Nederland Wereldomroep. „Wie geht es Friso wohl? Warum hören wir so wenig?“ Die Website NieuwsUit.com hat dazu aufgerufen, an diesem Königinnentag wenigstens eine weiße Blume zu tragen. „So kann das Volk auf sensible Weise zeigen, dass an den Prinzen gedacht wird.“

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