Kanzler und Künste Bundestagswahl: Vom Rembrandt-Sammler zur Bayreuth-Pilgerin

Berlin (dpa) - Das Verhältnis der Kanzler zur Kunst ist ein kleiner Spiegel der bundesrepublikanischen Geschichte:

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KONRAD ADENAUER (1949-1963): Der erste Kanzler schätzte altdeutsche und altniederländische Maler. Er baute sogar seine eigene Sammlung auf und hielt mit knorrigem Eigensinn daran fest, dass er einen echten „Rembrandt“ besaß - auch wenn die Expertenwelt das Bild für das Werk eines Nachfolgers hielt. Für andere Epochen der Malerei hatte Adenauer nicht soviel übrig. Sein Kommentar vor der „Mona Lisa“ im Louvre: „Die hat so ein dämliches Grinsen.“

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LUDWIG ERHARD (1963-1966): Der Wegbereiter der sozialen Marktwirtschaft war alles andere als ein Kunstkenner, aber er war aufgeschlossen. Davon zeugt der von ihm in Auftrag gegebene Bonner Kanzlerbungalow. Der ebenso schlichte wie transparente Bau mit viel Glas und Licht sollte die Offenheit der jungen deutschen Demokratie symbolisieren. Fast alle anderen deutschen Spitzenpolitiker hatten nur Häme dafür übrig, so wird Adenauer der Ausspruch zugeschrieben: „Ich weiß nicht, welcher Architekt den Bungalow gebaut hat, aber der verdient zehn Jahre.“

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KURT GEORG KIESINGER (1966-1969): Der Hobby-Poet unter den Kanzlern. Als 20-Jähriger träumte er davon, hauptberuflich als Dichter hervorzutreten, und veröffentlichte lyrische Ergüsse in schwäbischen Zeitungen. Kostprobe: „Es flog eine Lerche hoch über das Land, Das trunkene Köpflein zur Sonne gewandt. Mit zuckenden Flügeln fiel sie zurück: Was wolltest Du Vöglein? 'Ich suchte das Glück!'“

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WILLY BRANDT (1969-1974): Er war der Liebling der Künstler - allein Günter Grass überschüttete ihn fast 30 Jahre lang mit Ratschlägen und forderte Nähe ein, wie ihr mehr als 1000 Seiten füllender Briefwechsel zeigt. Sogar für einen Ministerposten brachte sich Grass ins Gespräch. Brandt war das häufig einfach nur lästig. Er hatte zwar Respekt vor der Kunst, persönlich aber keine allzu hohen Ansprüche, vor allem wenn es um Musik ging: „Willy“ klimperte ab und zu auf der Mandoline und hörte gern Heino. Der Politikwissenschaftler Norbert Seitz weiß sogar zu berichten: „Seine Vorliebe für Marschmusik hat er nie geleugnet.“

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HELMUT SCHMIDT (1974-1982): Mitten im „Deutschen Herbst“, als die Lufthansa-Maschine „Landshut“ entführt und das Kanzleramt von Panzerwagen und Scharfschützen umstellt war, forschte Schmidt nach den Ursachen des Terrorismus und befragte dazu Literaten. Am 16. Oktober 1977 sprach er fünf Stunden lang mit Heinrich Böll, Max Frisch und Siegfried Lenz, innerlich „hoch nervös“, wie er später bekannte. Max Frisch bescheinigte ihm in seinen persönlichen Notizen zu dem Treffen eine „unfanatische, große Präsenz“. Schmidt war nicht nur belesen, sondern auch ein hervorragender Pianist und Kunstkenner. 1979 ließ er vor dem Kanzleramt in Bonn die Skulptur „Large Two Forms“ aufstellen, die schnell berühmt wurde.

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HELMUT KOHL (1982-1998): Der „Kanzler der Einheit“ ist nicht gerade als Kunstfreund hervorgetreten, und da er auch dazu neigte, schnell beleidigt zu sein, konnte von einem kritischen Dialog auch keine Rede sein. Dafür hat sich mancher Künstler an ihm abgearbeitet. Günter Grass wurde nicht müde, gegen Kohls „Einheitsstaat“ anzuschreiben, und Regisseur Christoph Schlingensief rief alle Arbeitslosen auf, im Wolfgangsee schwimmen zu gehen, um so Kohls Urlaubsort zu überfluten.

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GERHARD SCHRÖDER (1998-2005): Nach 16 Jahren Kohl nahm SPD-Kanzler Schröder den Dialog mit der Kunstwelt wieder auf und lud regelmäßig ins neue Kanzleramt nach Berlin ein. Bei solchen Runden war der schlagfertige Schröder voll in seinem Element. Er gab den Künstlern das Gefühl, ernst genommen zu werden, nährte aber nie Hoffnung auf politische Mitgestaltung. Persönlich entwickelte er ein Faible für die zeitgenössische Kunst. Zu seinen Freunden zählten die Maler Jörg Immendorff und Markus Lüpertz.

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ANGELA MERKEL (seit 2005): Ihre erste eigene LP war „Yellow Submarine“ von den Beatles, gekauft in Moskau. Heute ist Merkel eine große Opern-Freundin und Stammgast der Wagner-Festspiele in Bayreuth. Zu Wagner hat sie über ihren Mann gefunden. Auf dem Grünen Hügel könne man zur Ruhe kommen, findet sie. In ihrer Jugend habe sie auch selbst musiziert, erzählte sie einmal in ihrem Video-Podcast. „Ich habe Flötespielen gelernt und dann auch etwas Klavier. Aber ich habe mich nicht als sehr begabt herausgestellt.“

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