Brasiliens Star-Architekt Oscar Niemeyer gestorben

Rio de Janeiro (dpa) - Oscar Niemeyer galt als Meister der Kurven. Von der Arbeit besessen, war für ihn die Architektur sein Lebenselixier. Auch als über 100-Jähriger ging er regelmäßig in sein Büro an der Copacabana in Rio de Janeiro.

Seine Werke sind geprägt von kühner Eleganz und schwungvollen Linien.

Es sind oft in Beton gegossene Gedanken, mit denen der bekennende Kommunist den Betrachter immer überraschen wollte. „Oscar Niemeyer, Brasilianer, Architekt. Er lebte unter Freunden und glaubte an die Zukunft“ - so schlicht wolle er in Erinnerung bleiben, sagte er einmal. Er starb am Mittwoch in Rio im Alter von 104 Jahren.

Rechte Winkel waren für den Vater der brasilianischen Architekturmoderne eine Art Unterdrücker. „Was mich anzieht, ist die freie und sinnliche Kurve, die ich in den Bergen meines Landes finde, im mäandernden Lauf seiner Flüsse, in den Wolken des Himmels, im Leib der geliebten Frau“, formulierte Niemeyer seinen Grundsatz.

Er zählte zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Seine Heimat Brasilien war ihm in seinem jahrzehntelangen Schaffensdrang nie groß genug. Er entwarf und baute in den USA, in Italien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Israel und vielen Ländern rund um die Erde. Der Mann, der nach Worten des französischen Star-Architekten Le Corbusier (1887-1965) die Berge Rios in den Augen trug, wurde am 15. Dezember 1907 als eines von sechs Kindern eines deutschstämmigen Kaufmanns in der Stadt am Zuckerhut geboren.

Nach dem Architektur-Studium begann durch die Zusammenarbeit mit seinen Vorbildern Lucio Costa und Le Corbusier der Aufstieg. Nachdem er 1943 mit dem alten Gesundheitsministerium in Rio internationales Renommee erlangt hatte, war er 1947 prägend am Entwurf des UN-Gebäudes am New Yorker East River beteiligt. Dann folgte Ende der 50er Jahre die Hauptstadt Brasília, die er gemeinsam mit Lucio Costa schuf. Der Durchbruch war da.

In Deutschland baute er ein Wohnhaus für das Hansaviertel in Berlin (1957). Während der Militärdiktatur (1964-1985) wurde Niemeyer in Brasilien verfolgt und mit einem Arbeitsverbot belegt. Er blieb der Architektur zeitlebens treu, genauso wie seiner politischen Überzeugung. Bis zum Schluss war er Kommunist. Mit Kubas Revolutionsführer Fidel Castro pflegte er eine lange Freundschaft und Castro soll bei einer Gelegenheit mal gesagt haben, er und Niemeyer seien vermutlich die letzten Kommunisten auf der Erde.

„Niemeyer hasste den Kapitalismus und den rechten Winkel. Gegen den Kapitalismus konnte er nicht viel ausrichten. Aber über den rechten Winkel, den Unterdrücker des Raumes, triumphierte seine freie, sinnliche und wolkenleichte Architektur“, schrieb der uruguayische Schriftsteller Eduardo Galeano zu den Lebenshauptthemen des Brasilianers, der auch den Sitz der Kommunistischen Partei Frankreichs in Paris entwarf.

Der Betrachter kommt sich vor den Niemeyer'schen Werken stets klein vor. Ob es das futuristische Kongressgebäude in der „Reißbrett- Hauptstadt“ Brasília ist, die geschwungene Freitreppe im Außenministerium oder ob es die schlangenförmigen Aufgänge im Innern des „Pavillon Ciccillo Matarazzo“ in São Paulos Ibirapuera-Park sind - immer stellt sich neben dem Staunen auch Ehrfurcht ein. Die Konfrontation mit Niemeyer-Bauten ist immer auch eine Begegnung mit völlig ungewohnten, unerwarteten Formen.

Für sein Schaffen wurde der Brasilianer 1988 mit Pritzker-Preis ausgezeichnet, dem renommiertesten Preis der Architektur-Welt. Als „Centenario“, als Hundertjähriger, beschrieb er seine Sicht auf die Architektur einmal so: „Gute Architektur, die, die ich bevorzuge, ist immer Architektur, die sich unterscheidet, die sich nicht wiederholt und die die Rolle eines Kunstwerkes annimmt. Für mich müssen Kunstwerke überraschen.“

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