Tropfen und Stromlinie: Entwicklung der Auto-Aerodynamik

Berlin (dpa/tmn) - Schon früh experimentierten Ingenieure mit Torpedo- und Tropfenformen für Autos. Der geringe Luftwiderstand sollte anfangs höhere Geschwindigkeiten bei Rennen ermöglichen. Heute steht die Senkung des Verbrauchs im Zentrum.

Edmund Rumpler und Wunibald Kamm - geht es um die Aerodynamik von Autos, fallen immer wieder die Namen dieser Pioniere. Beide Ingenieure machten sich früh Gedanken darum, wie Fahrzeuge möglichst widerstandsfrei durch den Fahrtwind kommen. Doch sie waren nicht die ersten, die sich um schnittige Formen kümmerten.

Bereits 1914 ließ der Italiener Graf Marco Ricotti einen Alfa-Romeo nach Vorbild eines Luftschiffs bauen - den 40-60 HP Aerodinamica. Ab 1919 entwickelte Rumpler den Tropfenwagen, denn die Form des Tropfens galt zu jener Zeit als ideale Form der Aerodynamik.

Damalige Messungen ergaben, dass der Luftwiderstand des Tropfenwagens gegenüber herkömmlichen Autos dieser Zeit um die Hälfte gesenkt werden konnte. VW ermittelte bei späteren Messungen 1979 einen Luftwiderstandsbeiwert - der sogenannte cw-Wert - von 0,28. Ein Ergebnis, das bei aktuellen Pkw immer noch vorbildlich ist.

Zeitgleich mit Rumpler arbeitet Paul Jaray an der Optimierung des Luftwiderstands. Auf seinen Patenten beruhende Prototypen von Stromlinienfahrzeugen wurden ab 1923 etwa bei Herstellern wie Dixi und Chrysler, aber auch BMW, Mercedes und Horch gefertigt. Für Audi konstruierte er den Typ K, der den Beweis erbrachte, dass die Stromlinienkarosse auch bei Personenwagen eine höhere Geschwindigkeit ermöglichte. „Aber einzig mit dem von Hans Ledwinka konstruierten Tatra Typ 87 gelang der Durchbruch in die Serie“, schrieb der ehemalige VW-Versuchsingenieur Wolf-Heinrich Hucho 1990.

Viele Hersteller experimentierten damals mit der Aerodynamik. So stellte die Auto Union mit dem 1937 vorgestellten und über 400 km/h schnellen Rennwagen Typ C Stromlinie einen Geschwindigkeitsrekord auf. Sein cw-Wert: 0,237.

Zu den Technikern, die die Entwicklung vorantrieben, gehörte auch Wunibald Kamm, dessen Erkenntnisse unter anderem bei BMW und Mercedes verwertet wurden. Der Professor der Technischen Hochschule Stuttgart wurde durch die windschlüpfrigen Kamm-Wagen bekannt (cw-Wert: 0,23). Für BMW steuerte er zur Mille Miglia 1940 das Kamm-Coupé bei, das einen cw-Wert von 0,25 aufwies und bis zu 230 km/h schnell war. Auch für Mercedes wurden Prototypen nach dem Kamm-Prinzip gebaut.

Nicht zuletzt wegen der Ölkrisen erlebte das Thema Aerodynamik in den 70er Jahren eine Renaissance - um den Spritverbrauch von Autos zu senken. Der Golf I kam auf einen cw-Wert von zu seiner Zeit unter Serienfahrzeugen konkurrenzlosen 0,42. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte Audi 1982: Der Audi 100 war laut Hersteller mit einem cw-Wert von 0,3 „die strömungsgünstigste Serienlimousine der Welt“. Dazu trugen die mit der Außenhaut bündig verklebten Scheiben bei.

ADAC-Technikexperte Arnulf Thiemel erinnert sich an diesen Kniff der Ingolstädter. „Alles sollte möglichst glatt sein“, beschreibt er die grundlegende Anforderung, die auch heute noch gilt. Zu den üblichen Tricks gehört zum Beispiel die Verkleidung des Unterbodens. Windschlüpfrigstes Serienmodell am Markt ist derzeit das Mercedes E-Klasse Coupé mit einem Luftwiderstandsbeiwert von 0,24.

Der cw-Wert ist allerdings nur eine Komponente, wenn es um die Ermittlung des eigentlichen Luftwiderstandes geht. Eine genaue Aussage könne erst dann erfolgen, „wenn der cw-Wert mit der Stirnfläche des Kraftfahrzeugs multipliziert wird“, heißt es in dem Standardlehrbuch „Kraftfahrzeugtechnik“. Die Stirnfläche ist dabei gleich dem Querschnitt der Vorderansicht eines Autos.

„In 25 Jahren konnten die Ingenieure den Luftwiderstandsbeiwert bei Serienautos nur wenig senken“, stellt Thiemel fest. „Da ist nicht mehr viel zu machen, ohne die Alltagstauglichkeit einzuschränken.“ Im Prototyp VW XL1 mit einem cw-Wert von nur 0,186 bleibt kaum Platz für Passagiere, denn die Stromlinienform geht zulasten der Kabinengröße.

Großen Einfluss auf den tatsächlichen Luftwiderstand hat der Fahrer selbst. „Eine Verdopplung der Fahrgeschwindigkeit bedeutet eine Vervierfachung des Luftwiderstands“, lautet die Lehrbuchregel. Bereits ab rund 50 km/h ist der Luftwiderstand größer als alle anderen Fahrwiderstände, wie etwa der Rollwiderstand. Bereits dann hat er den größten Einfluss auf den Verbrauch.

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