VW Jetta: Kleiner Passat für Preisfüchse

Berlin (dpa-infocom) ­ VW macht Schluss mit dem Spießertum. Galten kompakte Stufenhecklimousinen bislang als bieder und langweilig, wollen die Niedersachsen diesem Segment nun frisches Flair einhauchen.

Die Hoffnungen ruhen dabei auf dem neuen Jetta.

Der VW Jetta kommt ab 21. Januar zu Preisen ab 20 900 Euro in den Handel. In der mittlerweile sechsten Generation endgültig vom Golf emanzipiert, ist der Fünfsitzer kein Schrägheck mit Rucksack mehr, sondern eine Limousine aus einem Guss. Der Jetta ist elegant gezeichnet, geräumig geschnitten, gut ausgestattet und mit sparsamen Motoren bestückt. So wird das Stufenheck zu einem aussichtsreichen Konkurrenten von Renault Fluence, Mazda3, Skoda Octavia oder Volvo S40. Der Jetta wildert aber auch in den eigenen Reihen. Denn die Limousine des VW Passat verliert plötzlich an Reiz.

Ein vollwertiges Familienauto

Mit seinem neuen Format taugt der Viertürer als vollwertiges Familienauto: VW hat den neuen Jetta in allen wichtigen Dimensionen ein wenig gestreckt. So wuchs der Wagen in Länge und Radstand um etwa neun Zentimeter und misst 4,64 Meter. Damit überragt er den Golf um fast einen halben Meter und bietet entsprechend mehr Platz: Schon vorn sitzt man viel bequemer. Auf der Rückbank wähnt man sich in der nächst höheren Fahrzeugklasse: Nicht nur Schulkinder, sondern diesmal auch Erwachsene finden dort genügend Platz für Knie, Schultern und Kopf. Sogar der Kofferraum ist riesig geworden: 510 Liter Fassungsvermögen bedeuten mindestens zwei Reisetaschen mehr als man im Golf verstauen kann.

Während der Jetta bei der Fahrt Größe zeigt, gibt er sich an der Tankstelle als Knauser: VW hat den Verbrauch durch den Einsatz neuer Direkteinspritzer um bis zu 20 Prozent reduziert. Außerdem gibt es für 400 Euro Aufpreis für jeden Motor ein so genanntes BlueMotion-Paket mit Start-Stopp-Automatik und einer Elektronik zur Rückgewinnung der Bremsenergie, mit dem man im Normzyklus noch einmal bis zu einem halben Liter sparen kann. Sparsamster Motor aus der Palette von zwei Dieseln und vier Benzinern mit 77 kW/105 PS bis 147 kW/200 PS ist der kleinste Diesel. Kombiniert mit dem Öko-Paket ist der 1,6-Liter mit 4,2 Litern (CO2-Ausstoß 109 g/km) zufrieden und macht den Jetta so zu einer der sparsamsten Limousinen im Handel.

Schon der kleinste Motor macht Spaß

Trotzdem bleibt der Fahrspaß nicht auf der Strecke: Natürlich muss man etwas fester aufs Gas treten und häufiger schalten. Doch geht der vernehmlich knurrende Motor mit bis zu 250 Nm behände zur Sache. Beim Ampelstart hat man oft die Nase vorn, auf dem Land wird das Überholen nicht zur Mutprobe, und auf der linken Spur schwimmt man locker mit. Dass dieser Jetta 11,7 Sekunden bis Tempo 100 brauchen und nur 190 km/h schaffen soll, mag man kaum glauben.

Das Fahrwerk erweist sich dabei als familienfreundlich: Stramm und präzise genug für ein paar flotte Kurven gibt der Jetta den gutmütigen Dauerläufer, aus dem man auch nach vielen Stunden ohne Rückenschmerzen aussteigt. Auch in dieser Disziplin ist der Passat kaum besser ­ er bietet allerdings deutlich mehr Assistenzsysteme. Der Jetta kann sechs Airbags und eine Klimaanlage für alle vorweisen. Dazu kommen ein schlüsselloses Zugangssystem und eine Elektronik, die automatisch zwischen Fern- und Abblendlicht wechselt als Option. Danach ist mit Extras bereits Schluss. Automatische Abstandsregelung, ein Warnsystem für den Toten Winkel oder eine Hilfe beim Einparken? Damit kann der „Passat für Preisfüchse“ nicht dienen.

Im Preis genau zwischen Golf und Passat

Dafür ist der Jetta das deutlich billigere Auto. Bei einem Grundpreis von 20 900 Euro ist er zwar rund 2 000 Euro teurer als der vergleichbar motorisierte Golf, aber für den günstigsten Passat zahlt man fast 4 000 Euro mehr. Dass es sogar noch günstiger geht, zeigt ein Blick nach Amerika. Dort kostet der Jetta rund ein Drittel weniger. Doch Vorsicht vor vorschnellen Import-Überlegungen: Dort hat der Jetta Motoren mit mehr Hubraum, größeren Durst, andere Bremsen, ein einfacheres Fahrwerk und einen anderen Innenraum. Während der Jetta in Deutschland beim Ambiente beinahe mit dem Passat konkurriert, gibt es für Amerika mehr Hartplastik und Kunstleder.

Fazit: Spießbürger-Image ade

Überall auf der Welt ist der Jetta ein Erfolgsmodell. Nur in Deutschland hat er es noch nicht aus dem Windschatten des Golf geschafft. Natürlich wird er den Bestseller auch in der sechsten Auflage nicht überholen. Doch mit neuer Form und gewachsenem Format hat er das Zeug, sich in der Familie zu emanzipieren und das Image des Spießers abzuschütteln.

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