Sekretär statt Schutzengel: Autohersteller erweitern eCall

Detroit (dpa/tmn) - Jody Allister ist eine Labertasche und wird auch noch dafür bezahlt. Sie sitzt für General Motors mit über 600 Kollegen in Detroit in einem Callcenter und gibt Autofahrern Hilfestellung.

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Wo der nächste Supermarkt ist, in welchem Hotel es noch freie Zimmer gibt, sogar wo man am 24. Dezember nach 20.00 Uhr noch ein Weihnachtsgeschenk kaufen kann: Wer den blauen OnStar-Knopf am Innenspiegel seines GM-Modells drückt, der bekommt Antwort - und hat Sekunden später schon ein neues Ziel im Navigationssystem hinterlegt.

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Diese Hilfe wird offenbar oft eingefordert: Zweimal pro Sekunde gibt es einen Kontakt. Weltweit sind sechs Millionen Teilnehmer bei dem Service registriert und lösen im Monat im Schnitt fünf Millionen Calls aus, teilt GM mit: Allein vier Millionen Mal geht es dabei um Zielführung und 139 000 Mal lassen sich Besitzer über das Callcenter den Wagen entriegeln, weil sie den Schlüssel darin vergessen haben.

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Bei Opel kommt der Dienst jetzt nach Europa. „Im Grunde nehmen wir damit die Vorgaben zum eCall vorweg“, sagt Opel-Chef Karl-Thomas Neumann. Er meint die EU-Entscheidung, nach der ab 2017 jedes Auto automatisch einen Notruf absetzen muss, wenn der Fahrer einen SOS-Knopf drückt oder die Elektronik einen Unfall erkennt. Dann werden die Position und Zahl der Insassen übertragen und Retter alarmiert.

Eine Reihe von Herstellern bietet schon jetzt solche Systeme an. So haben Citroën und Peugeot bislang rund 1,7 Millionen Fahrzeuge mit „Connect Assistance“ oder „eTouch“ ausgestattet. Wer auf den Knopf drückt, landet in einem Call-Center, das Hilfsmaßnahmen koordiniert, sagt Citroën-Sprecher Stephan Lützenkirchen.

Opel hat es aber nicht dabei belassen: Weil das Auto ohnehin die ganze Technik an Bord haben muss und der Hersteller das Callcenter braucht, bieten die Hessen gleich das ganze OnStar-Spektrum an. Was in den USA Gang und Gäbe ist, gibt es in Europa sonst nur bei BMW und Mini. Andere Hersteller stellen ähnlich Dienste aber in Aussicht.

Allerdings gibt es den Service nicht umsonst: Während der Notruf spätestens ab 2017 kostenlos angeboten werden muss, kassiert BMW für die Zusatzdienste doppelt: Einmal für die bis zu 1500 Euro teure Grundausstattung im Fahrzeug und die ersten zwei Jahre der Nutzung, und danach für die Abo-Gebühr weiterer Service-Pakete. Opel will die OnStar-Preise laut Pressesprecher Patrick Munsch erst im Sommer nennen, dreistellig dürften sie wohl aber werden. In den USA kostet der Dienst umgerechnet etwa 19 Euro im Monat.

Von Experten wird die Einführung solcher Angebote mehrheitlich begrüßt, wobei sie die Vorteile vor allem im eCall sehen. So rechnet der ADAC in München mit bis zu fünf Prozent weniger Verkehrstoten, wenn die Rettungsdienste automatisch alarmiert werden. In Europa sollen nach Einschätzung der EU-Kommission rund 2500 Menschenleben im Jahr gerettet werden.

Zusatzdienste wie bei Opel OnStar oder BMW Connect beurteilen die Experten jedoch kritisch. Hans-Georg Marmitt von der Prüforganisation KÜS weist auf die Einschränkungen bei der digitalen Selbstbestimmung hin: „Ohne dass man Positionsdaten und Identität übermittelt, kann einem das beste Call-Center nicht helfen.“ Vor diesem Hintergrund fordert der ADAC eine Regelung, die es ermöglicht, neben eCall auch optionale Zusatzdienste verschiedener Anbieter über die jeweiligen Bordsysteme nach eigenen Vorstellungen zu nutzen. „Jeder Autofahrer sollte die Entscheidungsfreiheit haben, ob und an wen seine Fahrzeug-Daten gesendet werden“, sagt Sprecherin Marion-Maxi Hartung.

Teilweise haben Hersteller diesem Anspruch bereits Rechnung getragen: Wenn OnStar im Herbst im neuen Astra nach Europa kommt, wird es am Spiegel neben dem blauen OnStar-Knopf und der roten Notruftaste noch einen dritten Schalter geben: den Privacy-Button. Wer den drückt, bleibt anonym und nutzt OnStar nur noch für den automatisierten Notruf.

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