Leicht und Cross: Der steinige Weg der KTM LC4

Mattighofen (dpa/tmn) - Harte Bikes für noch härtere Typen - dieses Image pflegt der Motorradhersteller KTM bei seinen LC4-Modellen seit Ende der 1980er Jahre. Anfangs hatten die Österreicher kaum eine andere Wahl: Die Maschinen früher Baujahre waren störrische Böcke.

Neu bedeutet oft gut, aber nicht automatisch besser. Denn technische Innovationen müssen meist reifen, bevor sie reibungslos funktionieren. Diese Erfahrung machten auch die Ingenieure des österreichischen Zweiradherstellers KTM, als sie Mitte der 1980er Jahre ein neues Geländemotorrad entwickelten: die LC4.

Das Kürzel steht für „Liquid Cooled 4-Stroke“. Ziel war es, einen leichten und starken Einzylinder-Viertakter mit Wasserkühlung und Ölpumpe zu bauen. Im dicksten Schlamm sollte die Maschine eine ebenso gut Figur machen wie bei der Fahrt zum Bäcker. 1987 ging das erste LC4-Wettbewerbsmotorrad in Serie, zwei Jahre später folgte eine Version für den Straßenverkehr - und drohte zu floppen.

Leicht waren die Motorräder zwar und mit mehr als 37 kW/50 PS aus 553 Kubikzentimetern Hubraum auch kräftig. Aber: „Das Startverhalten war miserabel“, nennt KTM-Produktmanager Joachim Sauer eines der Probleme der ersten Modellgeneration. Als Ingenieur und damaliger Werksrennfahrer hatte er den Motor mitentwickelt. In Erinnerung ist ihm noch, wie schwierig der Kickstarter zu bedienen war.

Lief die Maschine, sorgten hin und wieder Fehlzündungen für Zwangspausen, wenn sie den Vergaser absprengten. Starke Vibrationen und das ruppige Ansprechverhalten des Moto-Cross-Vergasers schüttelten den Fahrer durch. „Das Motorrad war ein Biest“, sagt Sauer. Das galt es zu bändigen - ohne den Charme eines Macho-Bikes zu verwässern. Denn die LC4 war um Längen radikaler und stärker als zum Beispiel eine Yamaha XT oder Honda XL.

In den frühen 1990er Jahren gelang KTM schließlich der Durchbruch: Der Motor wurde zuverlässiger und haltbarer, die Optik ansprechender. Außerdem polierten Sporterfolge zur rechten Zeit das Image auf. Als KTM 1991 in Insolvenz ging, wurde „das Kürzel LC4 zur tragenden Säule für den Neustart des Unternehmens“, so Sauer.

Mit Hochdruck arbeiteten die Österreicher an der Modellpflege und feilten an der Alltagstauglichkeit. Heraus kam der vergrößerte „620er“ Motor mit 609 Kubikzentimetern Hubraum und einer Ausgleichswelle, die die Vibrationen des Einzylinders verringerte und so den Fahrkomfort steigerte.

Das Aggregat debütierte 1994 in einem neu konstruierten LC4-Ableger namens Duke. Als „Fun Bike“ wurde die Duke neben den Geländegängern angeboten. Mit Straßenreifen und reduzierter Sitzhöhe war die Maschine für den Einsatz auf Asphalt gebaut. Zwei Jahre später machte KTM die LC4 bei Alltagsfahrern endgültig salonfähig: Zum Zünden reichte fortan der Druck aufs Knöpfchen eines E-Starters.

1997 gab es erneut Zuwachs in der LC4-Familie: Die 620 Adventure war ein „ziviler“ Ableger der Rallye-Dakar-Wettbewerbsmaschine - und mit einem 30-Liter-Tank und einer bequemen Sitzbank reisetauglich. Ein Jahr später schob KTM die 620 Supermoto nach - eine Verwandte der Enduro mit Straßenreifen auf kleinen 17-Zoll-Felgen.

In knapp zwei Jahrzehnten haben die LC4-Vergasermodelle ihre rauen Manieren nie ganz abgelegt. Trotz aller Verbesserungen und einer erneuten Hubraumvergrößerung auf 625 Kubikzentimeter Ende der 90er Jahre übertrug sich jede Kolbenbewegung in Hände und Gesäß des Fahrers, begleitet von einem dumpfen Knattern aus dem Auspuff. Was komfortverwöhnte Biker abschreckte, begeisterte Puristen.

Schluss mit dem Männergehabe war erst 2007, als KTM einen neuen Einzylinder-Motor mit satten 46 kW/63 PS einführte. Der trägt zwar bis heute das Kürzel LC4, hat aber als laufruhiger und kultivierter Einspritzer mit dem Ur-Aggregat kaum noch etwas gemeinsam.

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