Elektro mit Handbremse? Die enge Rechnung der Autobauer

Frankfurt/Main (dpa) - BMW i3, E-Golf, B-Klasse: Deutschlands Autobauer scheinen zum großen Elektro-Wurf auszuholen. Aber geht es ihn wirklich um den Siegeszug der E-Mobilität? Mit spitzem Bleistift rechnen sie aus, wie viele Autos sie für ihre CO2-Ziele brauchen.

Elektro mit Handbremse? Die enge Rechnung der Autobauer
Foto: dpa

Auf dem Papier könnte das Jahr 2014 den Durchbruch für deutsche Elektroautos bringen. Mit Volkswagen und Daimler bringen gleich zwei Autobauer mit Golf und B-Klasse Elektroversionen ihrer Verkaufsschlager auf den Markt. Und BMW ist bereits seit November mit dem Kompaktwagen i3 am Start. Aber ob die Deutschen damit wirklich in den Wettstreit um die Vorherrschaft in der E-Mobilität eingreifen wollen, ist bei Experten umstritten. Elektroautos könnten auch einfach nur ein Mittel zum Zweck sein.

„Wir glauben nicht, dass deutlich mehr Fahrzeuge verkauft werden als notwendig“, sagt etwa Wolfgang Bernhart vom Beratungsunternehmen Roland Berger. „Sondern nur genügend Stück, damit die Hersteller ihre jeweiligen CO2-Ziele in der EU erreichen.“ Auch Stefan Bratzel von der FH Bergisch Gladbach ist der Ansicht, dass sich kein Autobauer zu weit aus dem Fenster lehnen will. Sollte die Nachfrage überraschend stark zulegen, würden die Hersteller zwar darauf reagieren, sagt er. „Ansonsten geht es zunächst aber darum, möglichst wenig Geld zu verlieren.“

Dient die E-Mobilität also vorwiegend dem Schönfärben von Umwelt-Bilanzen? Schließlich dürfen Neuwagen in der EU ab 2021 im Schnitt nur noch 95 Gramm CO2 je Kilometer ausstoßen. Dabei können die Hersteller ihre tatsächlichen Werte mit speziellen Boni für Elektroautos um einige Gramm drücken.

Doch eine solche Elektro-Strategie mit angezogener Handbremse würde kaum ins Bild der PS-Industrie passen. VW-Chef Martin Winterkorn hatte bereits 2013 zum „Jahr der Elektromobilität“ ausgerufen. Auch Peter Fuß, der als Partner von Ernst & Young die Autobranche berät, sieht im Elektro-Kurs mehr als eine Pflichtübung der Konzerne, um CO2-Regeln einzuhalten. „Das ist aus meiner Sicht zu kurz gegriffen“, sagt er und verweist auf die hohen Vorleistungen der Unternehmen. „Die Hersteller haben gewaltige Summen in neue Technologien und in die Produktion investiert. Jetzt will man davon auch etwas rausbekommen.“ Alleine BMW soll laut Medienberichten drei Milliarden Euro in seine Elektro-Marke BMWi gesteckt haben.

Und gut fürs Image der Autobranche sind die vermeintlich umweltfreundlichen Elektroautos allemal. Laut einer Studie des Tankstellen-Betreibers Aral zu Trends beim Autokauf haben Marken wie BMW oder Daimler fast doppelt so oft das Etikett „umweltfreundlich“ erhalten wie vor sechs Jahren. VW löste sogar Hybrid-Vorreiter Toyota an der Spitze der Wertung ab.

Aber jenseits des Image-Gewinns will möglicherweise dann doch keiner mehr Geld für CO2-Ziele ausgeben als unbedingt nötig. „Sicher streben alle Hersteller eine Punktlandung an, denn jedes zusätzlich eingesparte Gramm CO2 ist unglaublich aufwendig und teuer“, sagte etwa Daimlers Entwicklungs-Chef Thomas Weber jüngst der dpa. Er stecke seit Jahren jeden zweiten Euro seines Budgets in diese Ziele.

Und weil gerade die E-Mobilität ausgesprochen teuer ist, qualmen laut Unternehmensberater Bernhart die Rechenschieber der Branche. Die Konzerne spielten penibel durch, wie viele Elektroautos sie verkaufen müssten, um den CO2-Ausstoß ihrer Flotte punktgenau auf ihren individuellen Grenzwert zu trimmen, sagt der Fachmann für Elektromobilität. „Automobilhersteller haben ein europaweites CO2-Cockpit“, sagt Bernhart. „Entsprechend planen und steuern sie ihren Absatz über Vertriebsvorgaben und Preise.“

Die Unternehmen selber geben bestenfalls vage Hinweise zu Planung und Erwartung. Volkswagen nennt keine Verkaufszahlen zum E-Up, der seit November bei den Händlern steht. Auch zum E-Golf, der im Sommer 2014 kommt, gibt es nichts. BMW meldet für seinen i3 immerhin 10 000 Vorbestellungen. Rund 100 000 Menschen hätten sich für Probefahrten angemeldet. Daimler will von seiner elektrischen B-Klasse, die im Herbst in Europa startet, eine fünfstellige Stückzahl bauen - allerdings nicht jährlich, sondern verteilt über sieben Jahre.

Doch welche Mengen für Europa auch angepeilt werden, erreichbar sind sie für Fachmann Bernhart allemal. „Der Markt ist groß genug, um auf solche Stückzahlen zu kommen“, sagt er. So spiele es auch keine Rolle, ob ein Modell ein paar Monate früher oder später komme. 2020 dürften nach seinen Schätzungen zwei Prozent der Neuzulassungen in Europa rein elektrische Autos sein. Die verschiedenen Hybrid-Typen - die also auch einen Verbrennungsmotor unter der Haube haben - dürften es auf weitere acht Prozent bringen.

In Deutschland wurden 2013 nach offiziellen Zahlen genau 6051 reine E-Autos zugelassen. Das sind zwar doppelt so viele wie 2012 - aber angesichts von fast drei Millionen Neuzulassungen gerade mal ein Anteil von 0,2 Prozent. Und auch 2014 dürfte wohl wieder nur ein weiteres Jahr des Übergangs statt des Durchbruchs werden.

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