Automatisiertes Fahren: Experten warnen vor totaler Überwachung

Die vom Verkehrsminister eingesetzte Kommission gibt sich technikfreundlich, sieht aber ethische und rechtliche Knackpunkte.

Selbstfahrende Autos sollen erst dann auf die Straße, wenn es sicher ist. Das fordern Experten.

Selbstfahrende Autos sollen erst dann auf die Straße, wenn es sicher ist. Das fordern Experten.

Foto: Daniel Naupold

Berlin. Autos sollten sich nur dann selbst steuern dürfen, wenn das die Sicherheit auf den Straßen erhöht. Das fordert eine Experten-Kommission, die am Dienstag im Auftrag der Bundesregierung Leitlinien für automatisiertes und vernetztes Fahren vorgelegt hat.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte die Kommission vor einigen Monaten eingesetzt. Das Expertengremium unter Leitung des früheren Bundesverfassungsrichters Udo di Fabio, dem 14 Wissenschaftler aus den Fachrichtungen Ethik, Recht und Technik angehörten, zeigt sich offen gegenüber dem automatisierten Fahren. Es sei eine erhebliche Reduzierung der Unfallwahrscheinlichkeit zu erwarten, heißt es in dem 36-seitigen Papier. In den Empfehlungen wird darauf verwiesen, dass zum Beispiel elektronisch gesteuerte Aufzüge längst gesellschaftlich akzeptiert seien. „Ich bin überzeugt davon, dass wir in 20 Jahren keine 3000 Tote im Straßenverkehr mehr haben werden“, sagte Kommissionschef di Fabio. Eine vollständige Vernetzung der Autos untereinander sei aber bedenklich, wenn totale Überwachung und Manipulation nicht ausgeschlossen seien.

Jedenfalls in den Fällen, in denen das Auto komplett selbstständig durch den Straßenverkehr gelenkt wird, wird die Entscheidung an die programmierenden Techniker abgegeben. Mit Blick darauf fordern die Experten, dass bei einem unvermeidlichen Unfall das Computerauto lieber eine Laterne oder ein Tier umfahren soll als einen Menschen. In sogenannten Dilemma-Fällen, in denen sich ein Zusammenstoß mit anderen Menschen nicht vermeiden lasse, dürften mögliche Opfer nicht nach Alter, Geschlecht und anderen Merkmalen unterschieden werden. Di Fabio erklärt: „Die alte Frau mit dem Rollator oder die Kindergruppe — wen muss man jetzt bevorzugt niederfahren? Ein solches Szenario ist ausgeschlossen.“ Jeder Mensch sei gleichwertig.

Nicht ganz so deutlich ist die Kommission bei der Frage, ob das das Auto steuernde Programm bei einem drohenden Unfall die Zahl möglicher Opfergruppen gegeneinander aufrechnen darf. In Punkt 9 der insgesamt 20 Empfehlungen heißt es zwar, dass eine Aufrechnung von Opfern untersagt sei. Jedoch steht da auch der Satz: „Eine allgemeine Programmierung auf eine Minderung der Zahl von Personenschäden kann vertretbar sein.“

Die Expertenkommission gibt freilich nur Empfehlungen, die der Gesetzgeber in Zukunft berücksichtigen kann. Dabei geht es neben Fragen des Datenschutzes insbesondere um Haftungsfragen. Denn die bislang beim Autofahrer liegende Verantwortung verschiebt sich bei automatisierten und vernetzten Fahrsystemen auf die Hersteller und Betreiber der technischen Systeme. Dem müsse auch durch eine Verlagerung der Haftung Rechnung getragen werden.

Die Empfehlungen der Expertenkommission ist abrufbar auf der Internetseite des Bundesverkehrsministeriums:

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