Mode-Expertin: Es ist mehr Platz für Unterschiedlichkeit

Die AMD-Studienleiterin Ina Köhler über das, was „in“ ist, das, was „out“ ist, und wie sich die Modewelt verändert — zum Positiven.

Streifen und eine weite Silhouette: Das zeigte Designerin Lara Krude (r.) bei der Saisonvorstellung Frühling/Sommer 2018 in Berlin.

Streifen und eine weite Silhouette: Das zeigte Designerin Lara Krude (r.) bei der Saisonvorstellung Frühling/Sommer 2018 in Berlin.

Foto: Britta Pedersen

Düsseldorf. Was wir tragen und was nicht wird — mal mehr und mal weniger bewusst — von den Trends der jeweiligen Saison bestimmt. Die Trends gelangen auf vielen Wegen zum Verbraucher. Und welche das sind, das weiß Ina Köhler, ist Studienleiterin für den Bereich Modejournalismus/Medienkommunikation an der AMD Akademie Mode & Design in Düsseldorf.

Frau Köhler, was ist das Besondere an Frühlingsmode?

Ina Köhler: Das lässt sich am eigenen Einkaufsverhalten ganz gut erklären. Die meisten werden das bestätigen können: Nach dem Winter ist einfach die Lust auf Neues da, auf eine neue Farbigkeit nach der dunklen Jahreszeit. Der Übergang vom Winter zum Frühling — in diesem Jahr ja eher direkt zum Sommer — ist ähnlich markant wie vom Herbst zum Winter, wo auch ein neues Lebensgefühl die Auswahl an Farben und Materialien prägt.

Und das Gefühl ist im Falle des Frühlings, beziehungsweise des Sommers, welches?

Köhler: Viele wählen jetzt eine Farbpalette, die einfach besser zu mehr Licht und Sonnenstrahlen passt. Da liegt ein gutes Stück Psychologie drin: Mit dem neuen Wetter wächst auch die Lust auf neue Kleidung. Das wird auf den Laufstegen vorgemacht.

Welche Farben sind das denn in dieser Saison?

Köhler: Pastelltöne, auch miteinander kombiniert, sind nach wie vor ein Thema. Die sind auch über den Winter gar nicht komplett verschwunden und das wird sich weiter fortsetzen. Das Millenial Pink (ein zuckerwattiges Rosa) war in den vergangenen Saisons stark vertreten und geht jetzt etwas zurück. Gelbtöne sind ein relativ neues Element, das sich gut mit Weiß und allen neutralen Tönen, wie Nude-Tönen, kombinieren lässt.

Was ist denn mit den hellblau-weiß gestreiften Blusen, die man seit mehreren Saisons in allen Schnitten und Varianten sieht? Gehen die noch in Ordnung?

Köhler: Ja, die sind tatsächlich ein Dauerrenner. Und das liegt daran, dass Streifen eigentlich zum Marine-Look gehören. Und der ist ja ein Klassiker im Sommer.

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass es gar nichts mehr gibt, das richtig „out“ wird. Sogar Schlaghosen sind wieder tragbar. Ist der Eindruck richtig?

Köhler: Nun ja, es gibt schon Trends, die man nicht mehr unbedingt mitmachen sollte. Letzten Sommer waren Schlappen mit fluffigem Fell oder Kunstfell ein Riesending. Auf die kann man jetzt verzichten, das sind Trends, die einmal kurz aufploppen und dann wieder verschwinden. Wie die Mini-Rucksäcke auch.

Was noch ist bald richtig out?

Köhler: Nicht sofort, aber die vorherrschende Silhouette beginnt sich wieder leicht zu verändern. Von den derzeit hautengen „skinny“ Schnitten wird es wieder zu etwas entspannteren Formen gehen, wie straight fit bei Jeans zum Beispiel. Das gilt auch für Herrenhosen. So ein Wandel in der Silhouette umfasst einen Zeitraum von bestimmt acht Jahren.

Bezüglich der Schnitte sind bei Frauen ja auch schulterfreie Teile in allen Variationen diese Saison fast unumgehbar. Sind die eigentlich bürotauglich?

Köhler: Das kommt sehr aufs Büro an und auf die Dresscodes der Unternehmen. Auch auf die Position, in der die Trägerin arbeitet. Kundenkontakt in einer Bank geht sicher nicht schulterfrei. Aber ja, grundsätzlich ist das in Ordnung. Wir erleben nämlich grundsätzlich eine „Casualisierung“ der Mode. Das hat auch der „Athleisure“-Trend mit stark sportiven Elementen vorangetrieben. Mittlerweile sind bei Männern auch Sneakers zum Anzug absolut in Ordnung, wenn es nicht gerade in eine sehr formelle Umgebung geht.

Von Stilgrenzen zu Altersgrenzen — werden auch die immer mehr aufgeweicht?

Köhler: In der Tat und das ist auch gut so. Die Unternehmen denken nicht mehr in Altersgruppen sondern vielmehr in Stilgruppen. Da mischen sich junge und alte Trägerinnen. Natürlich sollte der Minirock ab 65 Jahren vielleicht überdacht werden, aber wer es tragen kann und sich wohl fühlt, wieso nicht? Schulterfrei ist da ein gutes Beispiel: Es muss ja nicht der komplett nackte Schulterbereich wie beim Carmen-Ausschnitt sein, auch Cut-Outs, die nur die Schultern zeigen, sind eine Möglichkeit. Und die gehen auch bei älteren Trägerinnen in Ordnung.

Woher kommt diese Toleranz?

Köhler: Wir erleben in der Mode gerade die Entwicklung, dass eine immer breitere Diversität angestrebt wird. Das betrifft zum Beispiel das Alter, viele Unternehmen und Magazine werben mit älteren Models wie Isabella Rosselini oder Lauren Hutton. Aber auch beim Thema Kleidergrößen gibt es eine höhere Varianz. Was früher in die Plus-Size-Ecke gestellt wurde darf jetzt in der ersten Reihe mitlaufen. Auch Modeltypen, die nicht den scheinbar makellosen Schönheitsidealen von früher entsprechen, bestimmen das Bild in der Mode. Schauen sie sich das Model Winnie Harlow an, ihr Körper ist ist durch die Erkrankung Vitiligo gefleckt mit heller und dunkler Haut. Und sie ist eine sehr schöne Frau, die für die größten Kampagnen gebucht wird.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort