AfD-Professorin vom Niederrhein fordert Wiederholung der Bundestagswahl

AfD-Professorin Karin Kaiser klagt sich seit Jahren durch alle Instanzen für ihre Verbeamtung. Ihre Facebook-Seite ist ein Fenster in eine wirre Welt von Zweifeln am Rechtsstaat.

Krefeld. Nach Berlin hat sie es nicht geschafft, nach Krefeld wird Karin Kaiser jetzt zurückkommen. Listenplatz 8 in Schleswig-Holstein hat für die AfD-Politikerin in Schleswig-Holstein nicht ausgereicht zum Einzug in den Bundestag. Ihren Arbeitgeber, die Hochschule Niederrhein, hatte Kaiser getäuscht. Doch die fühlt sich nicht ausgetrickst von ihrer Professorin, die den Rechtsstaat seit Jahren bekämpft, infrage stellt und jetzt deshalb Neuwahlen fordert.

Kurzer Rückblick: Anstatt eines als unpolitisch deklarierten Forschungsvortrages zum „Tod des Rechtsstaates“ zu halten, wollte Kaiser drei Tage vor der Wahl plötzlich einen politischen Forderungskatalog erarbeiten. Sie änderte kurzfristig den Namen der bereits genehmigten Veranstaltung, lud Parteien ein. Denn Kaiser glaubt tatsächlich, dass der Rechtsstaat tot ist, lehrt jungen Leuten aber Recht an der Hochschule. Zu Recht, meint diese auf WZ-Anfrage trotz allem.

Diese AfD-Politiker ziehen in den Bundestag
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Dabei hörte sich das vor einigen Tagen noch ganz anders an. Hochschulpräsident Prof. Dr. Hans-Henning von Grünberg beendete diese Farce zwar erst auf öffentlichen Druck hin, positionierte sich dann aber eindeutig. In der Pressemitteilung hieß es: „Wie sich jetzt herausstellt, lagen uns bei Antragstellung nicht alle Informationen vor. Frau Kaiser hat zuletzt erklärt, dass ihre Veranstaltung das Ziel verfolgt, einen politischen Forderungskatalog zu erstellen. Damit sehen wir unsere politische Neutralität, auf die wir gerade in Wahlkampfzeiten achten müssen, gefährdet. Eine Hochschule darf nicht zu parteipolitischen Zwecken missbraucht werden.“

Karin Kaiser kämpft derweil weiter ihren einsamen Kampf. Seit 2007 übrigens, unter dem Motto Politik steuert Judikative und, ja, der deutsche Rechtsstaat ist tot. Unter diesem Namen betreibt Kaiser eine Facebook-Seite, auf der viele Menschen fleißig Beiträge posten, oft über Gerichtsurteile, die ihrer Meinung nach ungerecht sind. Etwa Artikel des Mediums Freie Welt, das zum Vereinsnetzwerk Zivile Koalition der AfD-Politiker Beatrix und Sven von Storch gehört. Oder von „Schlüsselkindblog“, wo auch mal gern behauptet wird, Medien nähmen Umfragen vom Netz, weil die AfD die Nase vorne habe. Die ganze rechte Folklore halt, und Karin Kaiser lässt das auf ihrer Facebook-Seite zu. Mehr noch: Am 25. September fordert sie Neuwahlen, weil die deutschen Wähler nicht über den Tod des Rechtsstaates aufgeklärt seien.

Warum der tot sein soll, erklärt die Professorin der Hochschule Niederrhein am Freitag vor der Wahl in einer von ihrem Hochschul-Account geschickten sechsseitigen Pressemitteilung. Dort führt sie Beispiele auf, unter anderem ihr eigenes. Am 1. Dezember 2008 ist demnach eine mit Professoren und zwei studentischen Vertretern besetzte Berufungskommission an der Fachhochschule Kiel nach drei Begehungen der Kaiser-Veranstaltungen „Buchhaltung/Bilanzierung“ zu dem Schluss gekommen, dass Kaiser sowohl die fachliche als auch die pädagogische Qualifikation für Tätigkeiten einer Professorin fehlten. Damit wurde Kaiser die Lebenszeitverbeamtung verweigert.

Nachdem Karin Kaiser „alle Eskalationsstufen in der Fachhochschule Kiel erfolglos durchlaufen“ hatte, erhob sie im Februar 2009 vor dem schleswig-holsteinischen Verwaltungsgericht Klage mit dem Ziel der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Das war nur der Anfang: Die damit erfolglose Kaiser stellte etliche Strafanträge gegen Richter und Angestellte der Fachhochschule Kiel, beschwerte sich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte genauso wie beim zuständigen Ministerium, dem Ministerpräsidenten, letztendlich sogar bei Angela Merkel.

Derzeit, erklärt Kaiser, sei noch ein Verfahren gegen das Land Schleswig-Holstein anhängig. Für Karin Kaiser ist der Rechtsstaat deshalb tot.

Für die Hochschule kein Grund, sich kritisch mit ihrer Angestellten auseinanderzusetzen. Überhaupt: „Eine ,Prüfung des Täuschungsvorgangs’ ist durch die Hochschule nicht angekündigt worden. Auch ist eine Täuschung nicht als offensichtlich dargestellt worden“, heißt es unter anderem in einer Antwort auf WZ-Anfrage.

Dass der Präsident sich noch kürzlich gegen den Missbrauch der Hochschule zu parteipolitischen Zwecken verwehrte: geschenkt. Und: „Was Frau Karin Kaiser auf ihrer Facebookseite betreibt, fällt unserer Meinung nach unter freie Meinungsäußerung, die wir nicht kommentieren möchten. Uns ist nicht bekannt, dass Frau Karin Kaiser ihre Thesen auch in Lehr-Veranstaltungen vor Studierenden ausbreitet.“

Wird das überprüft? „Eine Überprüfung von Lehrinhalten findet grundsätzlich nicht statt. Die Freiheit von Lehre und Forschung ist ein hohes Gut. Es gibt bei uns eine qualitative Überprüfung der Lehre durch die Studierenden, die am Ende einer Veranstaltung Evaluationsbögen ausfüllen, um darin ihre Lehrenden zu bewerten. Bislang sind uns keine Beschwerden von Studierenden in Bezug auf Frau Kaiser bekannt.“

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